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Und täglich grüßt die Wissenschaft
03.02.2007

Zu viel Schrott im All

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150 Millionen
vom Menschen geschaffene Objekte mit einem Durchmesser größer als einem Millimeter bewegen sich in Umlaufbahnen um die Erde, schätzt das Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig. (TU BS)

Glosse

Wer sich von altem Plunder befreien will, entrümpelt. Weg mit dem Ballast, Platz schaffen für Neues. Ja, wenn das überall so einfach wäre. Im Weltall ist eine Entrümpelung utopisch, aber dringend erforderlich.

Ausgediente Satelliten und gesprengte Raketenoberstufen, Explosions- und Kollisionstrümmer und vieles mehr sorgen für eine Überfüllung auf erdnahen Umlaufbahnen. Es drohen gefährliche Kollisionen mit funktionstüchtigen Objekten wie Satelliten. Den Schrott im All werden wir vorerst nicht los. Weder gibt es den Weltraumstaubsauger, der alles schluckt, noch eine Müllabfuhr, die Ausgedientes zurück zur Erde bringt.

Immerhin, es gibt Wissenschaftler, die Weltraummüll (Fachbegriff "space debris") als wachsende Gefahr erkannt haben. Sie forschen im Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme der Technischen Universität Braunschweig, das weltweit führend auf diesem Gebiet ist. Die Experten können beispielsweise berechnen, wie hoch das Risiko ist, dass ein Satellit von einem Trümmerteil getroffen wird. Und sie regen Satellitenbetreiber und Raumfahrtagenturen an, Maßnahmen zu ergreifen, damit nicht immer noch weiterer Müll entsteht. Das ist im endlosen All nicht anders als auf unserer kleinen Erde.
(gef)



Fakten

Gefahr durch Weltraummüll

Der Weltraum - unendliche Weiten? In dem von der Raumfahrt hauptsächlich genutzten Bereich "Low-Earth-Orbit" (niedrige Umlaufbahnen) kann von unendlichen Weiten keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Im Weltraum wird es eng. Tausende Raumflugobjekte, ausgediente Satelliten und gesprengte Raketenoberstufen, Explosions- und Kollisionstrümmer, Schlacke aus Feststofftriebwerken sowie Restbestände russischer Kernreaktorsatelliten sorgen für eine folgenschwere Überfüllung auf erdnahen Umlaufbahnen.

Auf diesem "Friedhof im All" kann es zu gefährlichen Kollisionen zwischen entsorgtem Weltraumschrott und funktionstüchtigen Objekten wie Satelliten kommen. Weltweit führend auf dem Forschungsgebiet "Weltraummüll" ("space debris") sind Prof. Dr. Peter Vörsmann und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter vom Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme der Technischen Universität Braunschweig.

"Wir schätzen, dass sich insgesamt 150 Millionen vom Menschen geschaffene Objekte mit einem Durchmesser größer als einem Millimeter in Umlaufbahnen um die Erde bewegen", sagt Dr. Carsten Wiedemann. Wegen ihrer hohen Relativgeschwindigkeiten seien selbst kleinste Objekte eine Gefahr für die Raumfahrt. "Schlägt ein Weltraummüllobjekt in einem Satelliten ein, kann dies seine Funktion beeinträchtigen oder sogar zum Totalausfall führen."

Auf niedrigen Erdumlaufbahnen erreichen Trümmerteile eine Geschwindigkeit von ungefähr sieben Kilometern pro Sekunde. "Trümmerteil und Satellit treffen mit durchschnittlich zehn Kilometern pro Sekunde aufeinander, das heißt mit 36 000 Kilometern pro Stunde - der 36-fachen Geschwindigkeit eines Jets", erläutert der Wissenschaftler. "Trümmerteile mit einer Größe von einem Millimeter können ein Raumfahrzeug beschädigen, Teile von einem Zentimeter Durchmesser sogar zerstören." Zentimeterobjekte würden jede Raumschiffwand durchdringen, auch wenn diese zum Schutz mit Mehrfachwänden umgeben ist. Weiteres Beispiel: Ein Satellit in 900 Kilometern Höhe, dessen Körper 20 Quadratmeter misst, hat nach einer siebenjährigen Einsatzzeit rund 30 000 Einschläge von künstlichen Kleinstpartikeln, die etwa einen Zehntel Millimeter groß sind.

Im Auftrag der europäischen Raumfahrtagentur ESA haben Vörsmann und seine Mitarbeiter das MASTER Modell (Meteoroid and Space Debris Terrestrial Environment Reference) entwickelt. Mit diesem Modell lässt sich berechnen, wie hoch das Risiko ist, dass ein Satellit von einem Trümmerteil getroffen wird.

"Die Simulationen", so Wiedemann, "haben gezeigt, dass Kollisionen zwischen Weltraummüll-Objekten eine Kettenreaktion auslöst." Durch die Kollisionen entstehen immer neue Trümmer. Das führt zu einer Vervielfachung von Kleinstpartikeln. Die Dichte des Weltraummülls steigt rapide an. Vor allem in 900 Kilometern Höhe sei die Trümmerdichte von Objekten von einem Zehntel Millimeter und kleiner sehr hoch. Wie Geschosse kreisen die Splitter auf ihren Bahnen und werden zu einem Risiko für Satelliten und Raumstationen. "Für Raumfahrtagenturen und Satellitenbetreiber ist Weltraummüll ein wirtschaftliches Risiko", betont der Wissenschaftler. Das Institut sei auch deshalb auf internationalen Kongressen vertreten, um auf das Problem Weltraummüll aufmerksam zu machen.

"Momentan ist das Risiko für Kollisionen mit Weltraummüll bezogen auf einzelne Missionen noch nicht dramatisch", ergänzt er. Es sei jedoch erforderlich, möglichst schnell weitgehende Maßnahmen zur Weltraummüll-Vermeidung zu ergreifen. Wiedemann: "Ein unkontrolliertes Anwachsen der Weltraummüll-Population könnte so verhindert werden."
(gef)



Kontaktinformationen

Institution: Technische Universität Braunschweig (TU BS)
WWW: http://www.tu-braunschweig.de
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