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Und täglich grüßt die Wissenschaft
10.05.2007

Wahre Schwermut

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9,8125 m/s2
ist der Wert der Fallbeschleunigung in Braunschweig. Wer´s leichter mag, sollte auf einen Berg steigen oder gen Süden fahren.

Glosse

Die Wahrheit liegt nicht immer auf dem Platz. Manchmal steht sie auch in der Kurve. Und so kann, wer eine echte Wahrheit sucht, im Braunschweiger Eintracht-Stadion, Südkurve, fündig werden. Dem wahren Fußball-Fan, der der hier in Freud und Leid, öfter in Leid, steht, haben magere 15 Tore nach 29 Zweitligaspielen, tiefe Sorgenfalten ins Gesicht eingeschrieben. Aus jeder Falte schreit es: Braunschweig, du hast es schwer! So schwer!
Wieder einmal zeigt sich hier die nahezu philosophische, wenn nicht gar physikalische Dimension fußballerischen Denkens. Denn nicht nur die Schwermut auf den Rängen ist in Braunschweig größer als - sagen wir - in München, sondern auch ganz wahrhaftig die Schwerkraft.
Wer´s nicht glaubt, kann sich gerne an Andreas Lindau in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt wenden, der gerade an seiner Doktorarbeit in Sachen Gravitationszonen bastelt. Oder er kann sich ein ordentliches Kilogramm und eine fein säuberlich kalibrierte Waage aus der PTB ausleihen, damit einmal nach München reisen und das Kilogramm in München auf die Braunschweiger Waage legen. Das Ergebnis auf der Digitalanzeige der Waage wird sein: 0,9995 Kilogramm! Um eben dies fällt nämlich die Schwerkraft in München leichter aus.
Alternativ finden Sie auch mehr zu diesem Thema im Technik-Science-Cube bis 17. Juni auf dem Platz der Deutschen Einheit.
Die Differenz in der Schwermut dagegen kann, zum Glück, von Wochenende zu Wochenende eine andere sein. Denn meistens liegt sie ja doch auf dem Platz: die Wahrheit.
(jes)



Fakten

Von Ort zu Ort unterschiedlich

Ein Kilogramm ist ein Kilogramm - sollte man meinen. Ob das tatsächlich auch so ist, sollte sich mit einer Waage überprüfen lassen. Aber Vorsicht: Eine Waage misst nicht direkt eine Masse. Vielmehr wird eine Masse auf eine Waagschale gelegt und die Waage spürt die Kraftwirkung, welche diese Masse auf die Waagschale ausübt. Die Waage registriert eine Gewichtskraft, bestimmt also, kurz gesagt, ein Gewicht. Die Gravitation macht hier - zwischen Masse und Gewicht - den Unterschied.

Auf unserer Erde ist die Gravitation jedoch von Ort zu Ort (leicht) unterschiedlich. Wer daher die örtliche Fallbeschleunigung (Formelzeichen: g) kennen möchte, sollte mindestens zwei Dinge wissen: Auf welchem Breitengrad befinde ich mich? Auf welcher Höhe über dem Meeresspiegel stehe ich?

Die Fallbeschleunigung g ergibt sich erst aus beiden Antworten, denn entscheidend für g ist die Entfernung zum Erdmittelpunkt. Je weiter ich von diesem Mittelpunkt entfernt bin, umso geringer ist g. Auf einem Berg ist daher g kleiner als in der Tiefebene. Aber auch in Richtung Äquator nimmt g ab, denn die Erde ist eine leicht gestauchte Kugel - abgeplattet zu den Polen. Wer auf dem Äquator steht, ist also weiter vom Erdmittelpunkt entfernt, als jemand, der auf einem der Pole steht.

Aber: Weiß das auch meine Waage? Eine Waage, wie sie z.B. in Supermärkten eingesetzt wird (eine Handelswaage der sogenannten Klasse III), "spürt" die Unterschiede der g-Werte, kommt also zu verschiedenen Wägewerten. Mit dem Resultat, dass das Kilogramm Zucker in München etwas weniger auf die Waage bringen würde als in Braunschweig.

Damit eben dies nicht geschieht, muss man der Waage zuvor "sagen", wo sie sich aufhält und wie groß die Fallbeschleunigung an diesem Ort ist. Für Waagen der schon erwähnten Klasse III genügt es dabei, Deutschland in vier streifenartige Zonen zu teilen und für jeder dieser Zonen einen mittleren Wert für g festzulegen. Die g-Unterschiede innerhalb einer Zone sind für die Waage irrelevant - sie kann diese kleinen Differenzen gar nicht auflösen. Erst wenn die Waage die Zone wechselt, muss sie mit einem neuen g-Wert arbeiten.

Also: Ein Kilogramm Zucker wiegt zwar in München etwas weniger als in Braunschweig. Aber die "schlaue Waage" rechnet diesen Unterschied (mit Hilfe der Gravitationszonen) heraus. Und die Wägewelt ist wieder in Ordnung!
(jes)



Kontaktinformationen

Name: Andreas Lindau
Institution: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Adresse: Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Telefon: 0531/592-1186
WWW: http://www.ptb.de
E-Mail:
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