direkt zum Inhalt zur Hauptnavigation zur Bereichsnavigation
Und täglich grüßt die Wissenschaft
28.07.2007

Infrarotes Making-of

Diese Seite empfehlen Empfehlen
Diese Seite ausdrucken Drucken
RSS Feed RSS Feed

Infrarotreflektografie
gibt Kunsthistorikern und Restauratoren wertvolle Einblicke in die Entstehungsgeschichte eines Gemäldes. Das Herzog Anton Ulrich-Museum bringt damit zuvor unsichtbare Skizzen und Signaturen ans Licht.

Glosse

Verworfene Szenen, gestrichene Passagen, stolpernde Komparsen, stotternde Schauspieler - was hinter den Kulissen so vor sich ging, begleitet die meisten Film-DVDs als Bonus-Material. Doch wer weiß schon, dass auch Museen das Making-of ihrer Gemälde beherbergen? Denn infrarot durchleuchtet, gibt des Meisters Werk seine Entstehungsgeschichte preis. Auch in der Werkstatt des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig kann man zu Entdeckungsreisen ins Innere der Gemälde aufbrechen, in Bildschichten, die nicht für die Augen der Betrachter bestimmt waren. Die Infrarotkamera fördert zutage, wie und womit der Maler seine Komposition auf die Leinwand skizzierte, bevor er mit dem Malen begann, was er wieder verwarf und neu anordnete. Je mehr Geheimnisse über die Handschrift des Künstlers man lüftet, desto deutlicher wird sein ureigenster Schaffensprozess. Vor dem inneren Auge spult sich auch hier ein Film ab. In der Hauptrolle vielleicht der akribisch-nüchterne Typ, der alles von vornherein exakt plante, oder der kreativ mit sich ringende Künstler: durchmalte Nächte, gerötete Augen, zerrauftes Haupthaar. Ein Making-of der besonderen Art - nur, dass der alte Meister das selbst nicht mehr kommentieren kann.
Am morgigen Sonntag, 29. Juli um 15 Uhr, lädt Hildegard Kaul, Chefrestauratorin am Herzog Anton Ulrich-Museum, mit einem Vortrag zu einer solchen Infrarot-Entdeckungsreise ins Bildinnere ein. (mba)



Fakten

Um Gemälden ihre verborgensten Geheimnisse zu entlocken, haben sich neben der kunsthistorischen Stilanalyse seit einigen Jahrzehnten naturwissenschaftlich-technische Methoden als unverzichtbarer Bestandteil der Forschung etabliert. Das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig war vor fast 40 Jahren eines der ersten Museen weltweit, das seinen Gemälden mit Infrarotlicht auf den Grund ging. "Unser damaliger Leiter Knut Nicolaus hat damit auch die Erforschung anderer Untersuchungsmethoden wie Röntgen- und UV-Untersuchungen mit vorangetrieben", sagt Hildegard Kaul, Chefrestauratorin der Abteilung Gemälde.
Langwellige Infrarotstrahlen können Firnis, Malschichten und Grundierung durchdringen. Und da unterschiedliche Materialien ein bestimmtes Licht unterschiedlich reflektieren oder absorbieren, können je nach Wellenlänge unterschiedliche Gemäldeschichten sichtbar gemacht werden. Unter der außen sichtbaren Malschicht kommen so beispielsweise Skizzen, Raster und bislang unsichtbare oder übermalte Künstlersignaturen zum Vorschein.
So entdeckte man im Herzog Anton Ulrich-Museum auf Rembrandts "Gewitterlandschaft", einem der berühmtesten Gemälde der Sammlung, eine unter den nachgedunkelten Lasuren und Firnisschichten verborgene Signatur sowie den Entwurf einer Figuren- und Wagengruppe im Vordergrund.
Die Infrarotstrahlen lassen dabei auch spannende Einblicke in den Schaffensprozess des Künstlers zu. Denn die "Handschrift des Künstlers" lässt sich in der verborgenen Freihand-Skizze besser ablesen als im Motiv selbst, das meist statischer als die Skizze ist. War der Maler sich von Anfang an sicher, wie er das Motiv anlegt? Hat er die Grundidee im Schaffensprozess verworfen, womöglich eine Figur komplett weggelassen oder nur deren Armhaltung verändert? War er treffsicher ganz ohne Skizze? Hat er schwer gerungen, gravierende Bereiche mehrmals verworfen?
Das Spektrum all dessen, was Infrarotaufnahmen ans Licht bringen können, ist groß: Die Skizzen auf der Grundierung geben näheren Aufschluss darüber, ob der Künstler Links- oder Rechtshänder war und machen ihn durch die Schraffuren von anderen Malern unterscheidbar. Zutage kommt zudem, ob er dafür Feder, Pinsel oder Grafitstift verwendete, ob er Aussparungen oder Bildkonstruktionen wie Fluchtpunkt, Lochpause und Quadratnetz anlegte und welche Kompositionskorrekturen er vornahm.
Beim Ankauf eines Gemäldes durch ein Museum ist es oft entscheidend, dessen Erhaltungszustand genau zu taxieren, um notwendige Konservierungen und Restaurierungen einschätzen zu können. Faktoren dafür sind auch Übermalungen und spätere Restaurierungsarbeiten. Schließlich möchte man ein Original ausstellen - keine "Ruine", keine Replik und vor allem keine Fälschung. Gänzliche Fälschungssicherheit garantieren aber weder kunsthistorische Stilanalyse noch wissenschaftlich-technische Untersuchungsmethoden. Denn mittlerweile wissen natürlich auch Fälscher um die vormaligen Geheimnisse im Bildinneren.
Ein Vortrag von Hildegard Kaul zum Thema "Infrarotuntersuchung. Eine Entdeckungsreise in das Bildinnere" findet am Sonntag, 29. Juli, um 15.00 Uhr im Herzog Anton Ulrich-Museum statt. Der Eintritt ist frei. (mba)



Kontaktinformationen

Name: Hildegard Kaul
Institution: Herzog Anton Ulrich-Museum
Adresse: Museumstraße 1
38100 Braunschweig
Telefon: 0531/1225-2415
WWW: http://www.museum-braunschweig.de
E-Mail:
© Stadt Braunschweig | Impressum