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Und täglich grüßt die Wissenschaft
08.09.2007

Studieren in Helmstedt

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1576
wurde die von Herzog Julius eingerichtete Universität Helmstedt feierlich eröffnet; der Lehrbetrieb endete 1810 mit der Auflösung der Universität. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)

Glosse

Wer sein Leben vereinfachen will, muss ausmisten. Einschlägige Ratgeber kennen da kein Pardon. Also, ab in den Keller, wo Kartons und Kisten all das horten, was unser Leben einst bereichert hat, jetzt aber nur noch fürs Altpapier taugt: Uni-Skripte (hab ich das wirklich mal gelesen?), Seminar-Mitschriften (sind die Hieroglyphen meine Handschrift?), Verzeichnisse über Vorlesungen (hab ich je eine durchgängig besucht?). Jetzt bloß nicht ins Blättern kommen. Das alles braucht kein Mensch mehr.
Gut, dass unsere Vorfahren nichts von Feng Shui in Haus und Büro wussten, sondern fleißig archiviert haben. Sonst könnten Dr. Jens Bruning und seine Kollegen von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel ihr Vorhaben, eine Forschungslücke zu stopfen, gleich wieder ad acta legen. Die "Wissensproduktion an der Universität Helmstedt" heißt ihr Projekt, das sich insbesondere der Entwicklung der philosophischen Fakultät 1576-1810 widmet. Tausende gedruckte Hochschulschriften wie Dissertationen und Reden aus jener Zeit gilt es zu erschließen und per Internet-Datenbank zugänglich zu machen. Außerdem kommen Vorlesungsverzeichnisse mit 40 000 Lehrveranstaltungen aller vier Fakultäten Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie ins Netz. Auf dieser Grundlage wollen die Wissenschaftler die Zeitspanne zwischen 1680 und 1720 unter die Lupe nehmen, die Ergebnisse als Buch veröffentlichen. Bruning: "In dieser Zeit wandelte sich das Wissenschaftsbild. Wir erforschen, wie die Universität Helmstedt darauf reagiert, was sie angenommen, wogegen sie sich gesperrt hat."
Ich sperre mich vorerst gegen das Entrümpeln und meinen Keller wieder zu. Wer weiß, wozu das ganze Zeug noch mal gut ist. (gef)



Fakten

Wissensproduktion an der Universität Helmstedt

Die in den 1570er Jahren unter Herzog Julius eingerichtete Universität Helmstedt gehörte viele Jahre zu den angesehensten höheren Bildungseinrichtungen im Alten Reich: Bis in das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts hinein war sie nach Wittenberg und Leipzig eine der größten Universitäten, an der sich insgesamt mehr als 40 000 Studierende eingeschrieben haben. 1810, zur Zeit des Königreichs Westphalen, wurde die Universität Helmstedt aufgelöst.

"Ihre Geschichte ist nur in Teilen erforscht, eine Gesamtgeschichte fehlt bis heute", sagt Dr. Jens Bruning, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Projekt "Wissensproduktion an der Universität Helmstedt", das im November 2006 an der Herzog August Bibliothek (HAB) Wolfenbüttel gestartet wurde. Die Wissenschaftler der HAB interessieren sich vor allem für die in der Forschung stark vernachlässigte philosophische Fakultät. In zwei Erschließungsprojekten arbeiten sie Material zur Entwicklung der frühneuzeitlichen Fakultät auf und machen es per Internet-Datenbank zugänglich. Dabei geht es zum einen um die Lehrveranstaltungen aller vier Fakultäten Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie. Zum anderen um Hochschulschriften - Dissertationen, Programme und Reden - der philosophischen Fakultät zwischen 1576 und 1810.

"1581 erscheint erstmals ein Vorlesungsverzeichnis im Druck. Das Erscheinen pro Semester war zu der Zeit etwas Besonderes, und die Universität Helmstedt ist eine der ersten Universitäten, die das eingeführt haben", erläutert Bruning. Rund 40 000 Lehrveranstaltungen aller vier Fakultäten wird die Datenbank verzeichnen - überwiegend auf Latein, in der damaligen Sprache der Gelehrten, ab 1745 zusätzlich auch auf Deutsch. Voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2008 können die Nutzer auf das Material via Mausklick zugreifen.

Zusätzlich haben sie Zugriff auf rund 1200 Dissertationen und mehr als 1000 Programme und Reden, die sich zum Beispiel nach Schlagworten oder Name des Dozenten recherchieren lassen. Das umfangreiche Material, dass die Wissenschaftler der HAB derzeit erschließen, ist Grundlage für ein Forschungsprojekt, in dem es um die Entwicklung der Fakultät zwischen 1680 und 1720 geht. Dabei wird auch umfangreiches Aktenmaterial aus dem Staatsarchiv Wolfenbüttel und dem Hauptstaatsarchiv Hannover berücksichtigt.

"In dem von uns untersuchten Zeitraum wandeln sich Wissenschaft und Wissenschaftsbegriff, die experimentellen Naturwissenschaften setzen sich zunehmend durch", erläutert Bruning. "Wir wollen herausfinden, inwieweit man diesen Wandel an der Universität Helmstedt festmachen kann: Wie reagiert man auf die Herausforderung des gewandelten Wissenschaftsbildes? Wogegen sperrte man sich?" Die Ergebnisse der Studie werden später in einem Buch veröffentlicht.

Das Erschließungs- und Forschungsprojekt "Wissensproduktion an der Universität Helmstedt: Die Entwicklung der philosophischen Fakultät 1576-1810" wird vom Niedersächsischen Vorab der VolkswagenStiftung finanziert. (gef)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Anne Tilkorn (Pressesprecherin)
Institution: Herzog August Bibliothek
Adresse: Lessingplatz 1 38304 Wolfenbüttel
Telefon: 05331/808-213
WWW: http://www.hab.de
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