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Und täglich grüßt die Wissenschaft
25.09.2007

Die Wade der Venus

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Seit über 100 Jahren
haben Museen den Anspruch, "das Volk zu bilden". Das Braunschweigische Landesmuseum hat eine eigene Museumspädagogische Abteilung, die Geschichte für jeden spannend macht.

Glosse

"Attention!". Nie werde ich den französischen Museumsmitarbeiter vergessen, der mir meine ersten Erfahrungen mit der Kunst einflößte. Ich hatte gerade die Hand auf der Wade der Göttin Venus, als sich der Mann in Uniform vor mir aufbaute. "Il est interdit toucher les ouvres!" kam es aus geschätzten zwei Metern Höhe. Was? Ich verstand kein Wort, bloß eins wurde mir - einem Dreikäsehoch von neun Jahren - sofort klar: Die Wade der schönen Göttin war tabu und die Gärten des Schlosses Versailles kein Platz zum Spielen. Das war 1974. Seither hat sich viel getan. "Die Frage, die sich Museen immer wieder stellen, ist doch die: "Wie interessiere ich ein Publikum für Naturhistorie, Kunst oder Geschichte, damit es ins Museum geht. Und wie vermittle ich Geschichte so, dass die Besucher sie als wichtig für ihre Gegenwart erkennen", sagt Wulf Otte, Museumspädagoge des Braunschweigischen Landesmuseums. Seit zwanzig Jahren arbeitet der Experte an Konzepten, die Historie für jeden nachvollziehbar und interessant macht. Und wie reißt er die manchmal hohen Hürden ein? Ganz einfach: Statt etwa steinzeitliche Tontöpfe hinter Glas zu bestaunen, dürfen Kinder in der Abteilung Ur- und Frühgeschichte des BLM selbst einen Krug töpfern, und zwar mit genau den Mitteln, die die Menschen damals hatten. "Da wird jedem schnell klar, wie der Alltag ausgesehen hat", sagt Otte.
Ich bin mir sicher: Bei diesem Museumspädagogen blieb auch die Wade der Venus kein Geheimnis mehr. (leu)



Fakten

Historie leicht gemacht

Einst waren sie das Steckenpferd der Fürsten und reine Privatsache. Wer im 18. Jahrhundert etwas auf sich hielt, der sammelte: Gemälde, Kirchenschätze, Porzellan. Erst hundert Jahre später wurden diese Sammlungen zu öffentlichen Museen umfunktioniert und damit für jedermann zugänglich. Doch kam auch jedermann? "Nein", sagt Wulf Otte, Museumspädagoge des Braunschweigischen Landesmuseums, und schüttelt den Kopf. "Auch damals kamen vor allem diejenigen, die sich für das Thema interessierten." Im Falle des BLM also Bürger, die ein Faible für vaterländische Geschichte hatten - denn darum drehten sich die Exponate hauptsächlich. "Was die Wissenschaft erforscht, ist für Laien hochkomplex, die Menge der Fakten enorm und die Spezialisierungen immer stärker geworden", weiß Otte. Er kümmert sich seit zwanzig Jahren darum, diese Hürden einzureißen. "Das Wichtigste ist eine verständliche Ausstellung und das Gespräch mit den Besuchern", beschreibt er seinen Beruf. Es gehe nicht darum, das Publikum mit akademischem Wissen zu überschütten, sondern "jede Altersgruppe auf ihre Weise für Geschichte zu interessieren, Fragen zu stellen." "Nehmen wir mal eine Familie: Die kleine Tochter findet vielleicht Manteaukleider aus dem Rokoko ganz toll, der Sohn interessiert sich für die Trommel eines Braunschweiger Prinzen und die Eltern für die Politik vor zweihundert Jahren. Nach diesen Gesichtspunkten suche ich die Themen aus", erzählt Otte. Zu der großen Brandbreite an kind- oder jugendgerechten Themen gehört im BLM zum Beispiel die "Küchentechnik in der Jungsteinzeit", "Alltagsleben im Mittelalter" oder die "Industrialisierung in der Wilhelminischen Gesellschaft". Multimediale Shows mit Eventcharakter seien dabei gar nicht so entscheidend", räumt Otte mit einem Vorurteil auf. "Kinder, die zum ersten Mal in ein Museum gehen, sind fasziniert von den Relikten der Vergangenheit. Kinder an die Geschichte heranzuführen, das ist eigentlich die schönste Erfahrung in meiner Arbeit." (leu)



Kontaktinformationen

Name: Wulf Otte
Institution: Braunschweigisches Landesmuseum, Museumspädagogik
Adresse: Burgplatz 1
38100 Braunschweig
Telefon: 0531/1215-2604
WWW: http://www.landesmuseum-bs.de/
E-Mail:
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