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Und täglich grüßt die Wissenschaft
03.12.2007

Die alten Tricks der Griechen

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Im Ptolemäischen Weltbild
des Claudius Ptolemäus` (um 100 n.Chr.) steht die Erde im Zentrum des Universums, während sich Sonne und Planeten auf Kreisbahnen um diesen Mittelpunkt bewegen. (Institut Computational Mathematics der TU Braunschweig)

Glosse

"Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht", sagte der Schriftsteller Theodor Fontane und meinte damit nicht das Federvieh. Diesem sind Sonnensystem und Planetenbewegungen piepegal. Wir Menschen dagegen haben Jahrhunderte lang in den Himmel gestarrt und heftig debattiert, ob sich nun alles um uns und die Erde oder um die Sonne dreht. Kluge Köpfe entwickelten mathematische Modelle der Planetenbewegungen und entwarfen Weltbilder.
Der Mathematiker Claudius Ptolemäus war um 100 n.Chr. überzeugt, dass sich Sonne und Planeten auf Kreisbahnen um die Erde bewegen - und das zum Teil auf scheinbar seltsamen Bahnen. Der Mars zum Beispiel wird langsamer, hält an, läuft zurück, um wieder anzuhalten und nach einer Schleife seine Bewegung fortzusetzen. "Um diese retrograde Bewegung zu modellieren, genügen einfache Kreisbahnen nicht", erklärt Thomas Sonar vom Institut Computational Mathematics der TU Braunschweig.
Also wendete Ptolemäus einen alten Trick der Griechen an. "Er ließ die Planeten nicht nur in großen Kreisen um die Sonne laufen. Sie bewegten sich auf einem kleineren Kreis - dem Epizykel - der auf dem großen Kreis umläuft." Zusätzlich arbeitete Ptolemäus mit exzentrischen Kreisbahnen, auf denen die Planeten um die Erde "eiern".
Da es die Planetenbewegung sehr gut voraussagte, war das Ptolemäische Weltbild bis ins 16. Jahrhundert bedeutend. Sonar: "Erst die Erkenntnis von Johannes Kepler (1571-1630), dass sich die Planeten nicht auf Kreis-, sondern auf Ellipsenbahnen bewegen, hat die komplizierten Tricks des Ptolemäus überflüssig gemacht." (gef)



Fakten

Das Ptolemäische Weltbild

Wir lernen heute in der Schule, dass sich die Planeten auf Ellipsenbahnen um die Sonne bewegen. Diese Erkenntnis geht auf Johannes Kepler (1571-1630) zurück. Seit Nicolaus Copernicus (1473-1543) ist das heliozentrische Weltbild - mit der Sonne im Zentrum unseres Planetensystems - in unserem Denken verankert. "Allerdings schauten bereits die Menschen in der Antike an den Himmel und versuchten, die Planetenbewegungen geometrisch zu modellieren", erzählt Prof. Dr. Thomas Sonar vom Institut Computational Mathematics der Technischen Universität (TU) Braunschweig. "So wissen wir, dass bereits die alten Griechen ein heliozentrisches Modell zur Erklärung der Planetenbewegungen diskutierten."

Mathematische Modelle der Planetenbewegung seien für alle Astronomen zu jeder Zeit äußerst wichtig gewesen. "Nur so kann man zu einer festen Zeit die Position eines Planeten am Himmel bestimmen, ohne zu der gefragten Zeit beobachten zu müssen", erklärt Sonar. Auch eine Sonnenfinsternis ließe sich erst mit guten mathematischen Kenntnissen und Berechnungen am Modell vorhersagen.

Auf den Schultern der Astronomen der Antike veröffentlichte Claudius Ptolemäus - Mathematiker, Astronom, Geograph und Astrologe - um das Jahr 100 n.Chr. ein Weltbild, in dem die Erde im Zentrum steht, die Planeten und die Sonne sich in Kreisbahnen bewegen. Dieses System wurde als das Ptolemäische Weltbild berühmt und blieb bis ins 16. Jahrhundert hinein akzeptiert.

"Die Griechen", so Sonar, "hatten bereits sehr viele Positionsmessungen vorgenommen. Ein geometrisches Modell musste daher gut auf die Daten passen." Nun bewegen sich einige Planeten auf scheinbar seltsamen Bahnen: Der Mars etwa bewegt sich am Himmel, wird langsamer, hält an, läuft dann zurück, um wieder anzuhalten und nach einer Schleife seine Bewegung fortzusetzen. "Um diese retrograde Bewegung zu modellieren, genügen einfache Kreisbahnen nicht", führt der TU-Professor aus.

In Ptolemäus' Buch Almagest - der Titel lautete ursprünglich Megiste Syntaxis ("Größte Zusammenstellung") - wendete er daher einen alten Trick der Griechen an. "Er ließ die Planeten nicht nur in großen Kreisen um die Sonne laufen. Sie bewegten sich auf einem kleineren Kreis - dem Epizykel - der auf dem großen Kreis umläuft", veranschaulicht Sonar. "Für unser Planetensystem brauchte Ptolemäus einen ganzen Zoo von Epizyklen."

Mit diesem Trick, so der TU-Professor, könne man zwar die retrograde Bewegung erklären, nicht aber einige der Planetenbahnen. Daher arbeitete Ptolemäus zusätzlich mit exzentrischen Kreisbahnen, auf denen die Planeten um die Erde "eiern". "Es wurde also mächtig getrickst, um die beobachtbaren Phänomene erklären zu können", erzählt Sonar. Trotz dieser scheinbaren Unvollkommenheit des Ptolemäischen Systems war es bis ins 16. Jahrhundert bedeutend, da es die Planetenbewegung sehr gut voraussagte.

Im Jahr 1543, seinem Todesjahr, erscheint Copernicus' Buch De revolutionibus orbium coelestium, in dem er das Modell des heliozentrischen Systems erklärt. "Hier beginnt die Moderne", sagt Sonar. "Wieder bewegen sich die Planeten auf Kreisbahnen, wieder müssen mathematische Tricks angewendet werden, um das Modell mit den Beobachtungen in Einklang zu bringen. Und nun der Schock: Copernicus benötigt im Vergleich zu Ptolemäus doppelt so viele Epizyklen, um ein Modell der Planetenbewegung vorzustellen. Und dieses weist noch nicht einmal die Genauigkeit des Ptolemäischen Modells auf."

Aus diesem Grund setzte sich der Almagest des Ptolemäus noch bis Kepler durch. "Erst die Erkenntnis, dass sich die Planeten nicht auf Kreis-, sondern auf Ellipsenbahnen bewegen, hat die komplizierten Tricks des Ptolemäus überflüssig gemacht", erzählt Sonar und weist auf die Moral von der Geschichte: "Ein mathematisches Modell muss nicht die Realität beschreiben. Es muss lediglich die realen Phänomene mit hoher Genauigkeit voraussagen." (gef)



Kontaktinformationen

Name: Prof. Dr. Thomas Sonar
Institution: Technische Universität Braunschweig, Institut Computational Mathematics
Adresse: Pockelsstraße 14
38106 Braunschweig
Telefon: 0531/391-7400
Fax: 0531/391-7409
WWW: http://www.tu-braunschweig.de
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