direkt zum Inhalt zur Hauptnavigation zur Bereichsnavigation
Und täglich grüßt die Wissenschaft
11.12.2007

Schuhsohlen als Herbarien

Diese Seite empfehlen Empfehlen
Diese Seite ausdrucken Drucken
RSS Feed RSS Feed

Ein Herbarium
ist eine Sammlung getrockneter und gepresster Pflanzen für wissenschaftliche Zwecke - zu sehen in der Ausstellung "Die große Kette der Wesen" der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.

Glosse

Lehrer sind furchtbar streng, Schüler unglaublich brav - natürlich verhielt es sich in unserer Klasse nicht anders. Bestes Beispiel: der Biologieunterricht. Lateinische Namen für Blumen aus der Familie der Hahnenfußgewächse und für Tierchen wie die Rote Wüsteneidechse zu pauken, schmerzte die gequälte Pennälerseele.

Bis eines Morgens die Lehrerin die Revolution verkündete: Statt Lehrbücher zu wälzen sollten wir hinausgehen in die Natur, um dort "die lebendigen Zusammenhänge zu begreifen". Das Objekt der Lehrerinnenbegierde war der Garten unserer Eltern, dessen Pflanzen- und Tierwelt wir bis zum kommenden Unterricht anhand von Bestimmungsbüchern dokumentieren mussten. Die anfängliche Freude wich schnell der Ernüchterung, insbesondere die Großgartenbesitzer schlugen die Hände über dem Kopf zusammen.

Der größte Garten der Erde ist die Erde selbst. Die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel zeigt zurzeit in der Ausstellung "Die große Kette der Wesen" ihre reichen Bestände zur Naturgeschichte in der Frühen Neuzeit. Zu sehen gibt's unter anderem die von Wissenschaftlern - zum Teil handschriftlich - veröffentlichten Frühwerke über Flora und Fauna; darunter aus dem 18. Jahrhundert ein außergewöhnliches Herbarium des Helmstedters Johann Georg Siegesbeck mit getrockneten Pflanzen.

Unsere Herbarien waren die Sohlen unserer Schuhe, wo Tage nach der Erkundungstour noch die unterschiedlichsten Pflanzen klebten. Waren wir froh, als wir uns wieder über Wüsteneidechsen wie die Canthodactylus maculatus unterhalten durften. (boy)



Fakten

Die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel nimmt die Geburtstage von Carl von Linné (1707-1778) und Georges Louis Leclerc de Buffon (1707-1788), die sich dieses Jahr beide zum 300. Mal jähren, zum Anlass, ihre reichen Bestände zur Naturgeschichte der Frühen Neuzeit vorzustellen.

Seit der Antike ist das Bild einer Scala naturae, wonach sich alle Objekte des Stein-, Pflanzen- und Tierreiches in einer hierarchisch geordneten "großen Kette der Wesen" aneinanderreihen, ein tragendes Modell in Naturphilosophie und Naturgeschichte. Wie keine andere Epoche war das 18. Jahrhundert bestimmt von der Suche nach dem wahren Natursystem, das der bestaunenswürdigen und unglaublichen Vielfalt der Natur zugrunde liegt. Zugleich führten die zunehmende Artenkenntnis wie auch das sich mit der Erklärung des Ursprungs und Alters der Erde entwickelnde historische Denken zum Ende der statischen und allein räumlich-synchron bestimmten Ordnungsidee. Aus diesem Prozess ging Anfang des 19. Jahrhunderts die Wissenschaft vom Leben hervor.

Die Ausstellung verdeutlicht zunächst anhand von Handschriften und Inkunabeln die enzyklopädische Tradition der Historia naturalis des europäischen Mittelalters und der Renaissance. Pflanzen und Kräuterbücher veranschaulichen die Lehre der Materia medica (Heilmittellehre).

Im Mittelpunkt steht dann das 18. Jahrhundert mit seinen Protagonisten Linné und Buffon. Die unendliche Vielfalt der göttlichen Schöpfung, die nach kleinsten Merkmalsunterschieden geordnet ins Bild einer Scala naturae gebracht wurde, präsentiert sich in den kolorierten Drucken in ihrer ganzen Buntheit.

Ein außergewöhnliches Exponat ist schließlich ein Herbarium aus dem 18. Jahrhundert, es enthält keine Zeichnungen, sondern echte Pflanzen. Johann Georg Siegesbeck (1685-1755), ein Arzt aus Helmstedt, sammelte und beschrieb in 15 Bänden 1.500 Pflanzen.

Der Katalog zur Ausstellung "Die große Kette der Wesen - Ordnungen in der Naturgeschichte der Frühen Neuzeit" wurde bearbeitet von Petra Feuerstein-Herz, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag in Kommission 2007 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek Nr. 88), geb. 39,80 Euro (Buchhandelsausgabe; der Katalog ist in broschierter Ausgabe, 20 Euro, nur in der Herzog August Bibliothek erhältlich).

Die Ausstellung wird bis 1. Juni 2008 zu sehen sein. (boy)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Anne Tillkorn
Institution: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Adresse: Lessingplatz 1 38304 Wolfenbüttel
Telefon: 05331/808-213
WWW: http://www.hab.de
E-Mail:
© Stadt Braunschweig | Impressum