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Und täglich grüßt die Wissenschaft
22.12.2007

Braunschweiger Kältepunkt

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1 Mikrokelvin
Wer die genaue Zeit will, sollte sich auf echte Tiefkühlung verstehen. Bei den derzeit besten Atomuhren, den Fontänenuhren, wird eine Wolke aus ein paar Millionen Cäsiumatomen auf nur noch ein Mikrokelvin abgekühlt.
(Physikalisch-Technische Bundesanstalt)

Glosse

In unserer beliebten Reihe "Kleine Ratschläge für große Alltagssorgen" wenden wir uns heute den Temperaturverhältnissen zu. Diese sind ja dazu angetan, sich wehmütig an früher zu erinnern, als die Sommer noch echte Sommer und die Winter echte Winter waren. Und so stellen sich viele die Frage, wie denn umzugehen sei mit einer ach so lauen Zeit.

Eine schier verzweifelte Lösung bietet uns Christian S. an: Er genießt seinen Glühwein nur noch daheim, mit entblößtem Oberkörper vor geöffneter Kühlschranktür. Kerstin H. hingegen geht gar einen Schritt weiter und legt sich minutenweise, mit nichts als einem Bikini bekleidet, ins Gemüsefach ihrer Tiefkühltruhe und träumt sich auf eine Abenteuerreise ins noch vorhandene Grönländische Packeis.

Die ultimative Lösung allerdings kommt - es kann ja nicht anders sein - von den Physikern der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Sie setzen jeder schleichenden Erwärmung so ziemlich den kältesten Ort von ganz Braunschweig entgegen: In ihren Fontänenuhren kühlen sie eine Atomwolke von ein paar Millionen Atomen auf unter -273 °C - auf eine Temperatur nahe absolut Null, wo nur noch ein leichtes Zittern möglich ist und keine hektischen Bewegungen die Zeitmessung stören. Und selbst das leichte Rempeln der Atome untereinander, das die Messung immer ein bisschen durcheinander bringt, können die Wissenschaftler jetzt herauskorrigieren - für Uhren, die noch genauer ticken.

Es ist also nicht nur die genaue Zeit in Braunschweig, sondern auch die echte Kälte. Ob dies die Alltagssorgen lindert, muss jeder für sich allein entscheiden. (jes)



Fakten

Atomuhr ist nicht gleich Atomuhr. Auch wenn das grundlegende Prinzip, eine innere Schwingung der Atome zur Zeitzählung zu nutzen, immer gleich ist. Die derzeit genauesten Uhren sind so genannte Caesium-Fontänen-Atomuhren, in denen die Atome mit Hilfe von Laserstrahlen bis knapp hinunter zum absoluten Temperatur-Nullpunkt (-273,15 °C) gekühlt werden, bevor sie auf eine kleine ballistische Reise durch einen Mikrowellenresonator geschickt werden. Durch diese "Tiefkühlung" können diese Uhren die Sekunde mit einer relativen Unsicherheit von besser als
1 x 10-15 darstellen.

Bisher musste man es in Kauf nehmen, dass die auch bei diesen tiefen Temperaturen unvermeidlichen Stöße der Atome untereinander zu kleinen Frequenzverschiebungen und damit zu kleinen Unsicherheiten bei der Zeitmessung führten. Jetzt ist allerdings eine neue Methode entwickelt worden, welche die Fontänenuhren noch leistungsfähiger macht: Durch eine geringfügige Anpassung der Mikrowellenstrahlung, die den Übergang im Caesiumatom anregt, lässt sich die kumulative Stoßverschiebung von negativen zu positiven Werten verändern - oder genau zu Null machen. Das dabei ausgenutzte physikalische Prinzip hängt mit der Art und Weise zusammen, in der sich die Stöße zwischen den kalten Atomen qualitativ und quantitativ verändern, während die Atomwolke durch die Apparatur fliegt. Zurzeit laufen weitere Untersuchungen, um die praktischen Grenzen dieses stoßverschiebungsfreien Uhrenbetriebs abzustecken. (jes)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Robert Wynands
Institution: Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Arbeitsgruppe "Zeitnormale"
Adresse: Bundesallee 100
38116 Braunschweig
WWW: http://www.ptb.de
E-Mail:
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