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Prof. Dr. Jochen Luckhardt
Leitender Direktor des Herzog Anton Ulrich-Museums
Das Herzog Anton Ulrich-Museum (HAUM) besitzt mit seinen etwa 170.000 Kunstwerken, von Werken ägyptischer Kunst bis heute, eine der bedeutendsten Kunstsammlungen in Deutschland und ist begehrter Leihgeber für Kunstausstellungen in aller Welt. Damit ist das Museum auch stets Kunst-Botschafter der Stadt Braunschweig. Das berühmteste Gemälde des HAUM, der Braunschweiger Vermeer, befindet sich zurzeit in Spanien. "Das Mädchen mit dem Weinglas" ist vom 18. Februar bis 18. Mai 2003 im Museo Nacional del Prado in Madrid in der Ausstellung "Vermeer y el interior holandés" zu sehen.
Das Mädchen mit dem Weinglas
Jan Vermeer van Delft (1632-1675), Leinwand, 78 x 67 cm, Inv. 316
Genauso harmlos wie der Titel des Bildes erscheint uns zunächst die vorgestellte Szene. Ein junges Mädchen hält zierlich ein gefülltes Weinglas in der Hand und blickt uns lachend an. Ihr Kavalier ermuntert sie zum Trinken. Die Szene spielt in einem vornehmen holländischen Interieur des 17. Jahrhunderts. Brillant schildert der Maler das gedämpfte Licht, das durch das halbgeöffnete Fenster den Raum beleuchtet. Mit feinmalerischer Präzision gibt er die Stofflichkeit der Gewänder und Gegenstände wieder. Durch die stilllebenhafte Schilderung schafft er ein Bild von eindringlicher Stille. Der flüchtige Moment ist festgehalten und gewinnt etwas von zeitloser Dauer.
Die Wappenscheibe des Fensters und das Herrenporträt im Hintergrund verweisen auf Tradition und Werte. Die Zeitgenossen Vermeers hätten jedoch auf Anhieb die Moral der Geschichte erkannt. Weingenuss, und das auch noch in Herrengesellschaft, galt damals als unschicklich. Der Mann im Hintergrund scheint sogar schon berauscht zu sein. Seine Haltung steht für die negative Eigenschaft der Faulheit. Und auch das offene Lachen des Mädchens, das ungeniert ihre Zähne entblößt, passte keinesfalls zu einer feinen Gesellschaft.
Der Kontrast zwischen dem vornehmen Ambiente zu dem sorglos-ausschweifenden Verhalten der Dargestellten könnte also nicht größer sein und unterstreicht hier die moralische Aussage des Bildes.
Autorin: Kathrin Höltge / HAUM
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