2003-11-14 | Todestag von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 -1716)
Der Philosoph, Mathematiker und Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz war nach seinen Studien schon früh an den verschiedensten Europäischen Königs- und Fürstenhäusern als Berater und Sachverständiger tätig, z.B. in juristischen Fragen. Zwischendurch unternahm er immer wieder Forschungsreisen. Im Alter von dreißig Jahren folgte er einem Ruf an den Welfenhof in Hannover. Durch die fruchtbare Beziehung zu dem Welfenherzog Anton Ulrich, der in Wolfenbüttel residierte, wurde ihm 1691 die Leitung der Bibliotheca Augusta angetragen.

In der Nachfolge Herzog August des Jüngeren (1579 – 1666), der im Jahr 1644 begann, die nach ihm benannte Bibliothek in Wolfenbüttel aufzubauen, waren vor allem zwei ihrer Leiter von entscheidender Bedeutung: Leibniz und Lessing. Bereits seit 1676 war Leibniz als Bibiothekar und Hofrat in den Diensten des Herzogs Johann Friedrich (1625 – 1679) in Hannover. Teils durch dienstliche Angelegenheiten, teils durch sein Interesse an den Schriften des bedeutenden Sprachforschers Schottelius (1612 – 1676) kam er in den folgenden Jahren der Wolfenbütteler Bibliothek näher, zunächst nur als Benutzer. Im Todesjahr des Herzogs August war der Bestand der Schriften auf etwa 134.000 angewachsen. Zum Vergleich – im Besitz Ludwig des XIV. befanden sich 16.000 Werke. 1683 nahm Leibniz durch Vermittlung des Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels brieflich die Verbindung zu Herzog Anton Ulrich (1633 – 1714) auf, der zwei Jahre später gemeinsam mit seinem Bruder Rudolf August (1627 – 1704) die Regentschaft im Herzogtum Braunschweig und Lüneburg übernahm. Daraus entwickelte sich ein enges Vertrauensverhältnis, das bis zum Tod des Herzogs anhielt. Als 1690 die Direktorenstelle der Bibliotheca Augusta vakant geworden war, nahm Leibniz mit Zustimmung seines Hannoveraner Dienstherrn das Angebot Anton Ulrichs an, das Amt zu übernehmen, auch im Hinblick auf die sich eröffnenden Möglichkeiten für die eigene Forschung.

Gottfried Wilhelm Leibniz wurde am 1. Juli 1646 in Leipzig geboren. Durch das Elternhaus, den 1652 verstorbenen Vater Friedrich, Jurist und Professor für Moralphilosophie, und die Mutter Catharina, Tochter eines angesehenen Rechtswissenschaftlers, schien die Entwicklung des Kindes gewissermaßen vorgezeichnet zu sein. Schon zu Beginn der Schulzeit von 1653 bis 1661 an der Nikolai-Schule in Leipzig verschaffte der junge Leibniz sich Zugang zur väterlichen Bibliothek. Hier eignete er sich autodidaktisch die lateinische Sprache an und las seine ersten antiken und mittelalterlichen Texte. 1661 schrieb Leibniz sich an der juristischen Fakultät der Universität seiner Vaterstadt ein, hörte aber auch philosophische, theologische und mathematische Vorlesungen, die er zwei Jahre später mit dem Baccalaureat aufgrund der Schrift „Disputatio metaphysico de principio individui“ abschloss. Nach einem Semester in Jena kehrte er zum Jurastudium nach Leipzig zurück, wo ihm die Promotion wegen seines zu geringen Alters verweigert wurde. Leibniz hatte inzwischen die Würde des Magister artium erhalten, als er im Winter 1666/67 nach Altdorf bei Nürnberg wechselte, wo er zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. Kurze Zeit später trat er als juristischer und diplomatischer Berater in den Dienst des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn, der ihn 1670 zum Revisionsrat am Oberappelationsgericht in Mainz ernennt. Dort beginnen auch Leibniz‘ Bemühungen um eine Reunion von Katholiken und Protestanten, die mit Unterbrechungen bis ins Jahr 1702 reichen. 1672 reiste er für seinen Dienstherrn in diplomatischer Mission nach Paris, um Ludwig XIV. von europäischen Eroberungskriegen abzuhalten, indem er ihm eine Art Kreuzzugsplan gegen das von den Türken beherrschte Ägypten unterbreitete. Wichtiger für Leibniz als dieses gescheiterte Unternehmen war die Begegnung mit der zeitgenössischen Mathematik und Naturwissenschaft. In den vier Pariser Jahren lernte er so bedeutende Zeitgenossen wie Arnauld, Malebranche und Huygens kennen, auf einer London-Reise Boyle, Hooke und Collins, der ihm Newton‘s Schriften zeigte. Als Anerkennung für seine mathematischen Studien sowie für die Erfindung einer Rechenmaschine, welche alle Grundrechenarten beherrscht, wird Leibniz in die Royal Society aufgenommen, die Aufnahme in die Pariser Academie des sciences gelingt erst 1700. Nach dem Tod des Kurfürsten von Schönborn versuchte Leibniz vergeblich, eine bezahlte Anstellung am Collège de France zu finden. Aus finanzieller Not folgte er dem Ruf von Herzog Johann Friedrich, der ihn schon lange umworben hatte. Im Dezember 1676 traf Leibniz in Hannover ein. Vierzig Jahre bis zu seinem Tod, von einigen Reisen abgesehen, sollte er im Welfenreich bleiben. Seine Anstellung war die eines Bibliothekars, sein Titel Hofrat, und im Alter von fünfzig Jahren endlich wurde er zum Geheimen Justizrat ernannt. Seine eigentliche Tätigkeit war die eines Beraters mit vielfältigsten Aufgaben. So bat Leibniz seinen Herrscher, ihn zum Direktor der halbstaatlichen Harzer Silberbergwerke in Clausthal zu machen, eine beträchtliche Einnahmequelle des Herzogtums. Obwohl er technische Neuerungen einführte, vor allem im Bereich der Wasserpumpen, verbot Herzog Ernst August (1629 – 1698), nachdem sein älterer Bruder gestorben war, alle weiteren Experimente aus Kostengründen. Die wohl bitterste Niederlage in Leibniz‘ Leben. Dass er sich dennoch am Hofe halten konnte, verdankte er einem wohlwollenden Premierminister, der ihm eine neue Aufgabe vermittelte, die dem Wunsch des Herzogs entsprach, eine Familiengeschichte der Welfen zu besitzen. Trotz umfangreicher historiographischer Recherchen, die Leibniz nach Wien, Neapel und Rom führten und einer wissenschaftlichen Akribie, die damals unüblich war, wurde dieses Werk nicht fertiggestellt. Ein Ergebnis der Anstrengungen und der mannigfachen Kontakte, die Leibniz an diesen Orten knüpfte, war jedenfalls, dass dem Herzogtum 1692 die lang ersehnte Kurwürde verliehen wurde. Ein Angebot, das Amt eines Kustos der Vatikanischen Bibliothek zu übernehmen, verbunden mit der Aussicht auf die Kardinalswürde, lehnte er wegen der vorausgesetzten Konversion zum Katholizismus ab. In diese Zeit fällt der Beginn der Tätigkeiten an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Mit demselben Anspruch der Universalität, den er an seine Forschungen stellte, widmete sich Leibniz dem Ausbau der schon damals berühmten Büchersammlung bzw. er sichtete erst einmal, was schon vorhanden war. Vor allem den großen Bestand an Originalhandschriften, auf den Leibniz im Rahmen seiner staatsrechtlichen Untersuchungen stieß, galt es zu katalogisieren. So gelang es ihm mit Hilfe der Handschriften des Kardinals Mazarin, die in Wolfenbüttel überliefert waren, für Karl VI. und Prinz Eugen kaiserliche Erbansprüche auf die Toscana nachzuweisen. Die alphabetische Katalogisierung weitete Leibniz auf das gesamte vorhandene Material aus und ergänzte systematisch die Bestände, indem er z.B. einen Verfasserindex einführte. Die enzyklopädische Absicht zeigte sich auch, trotz schlechter finanzieller Ausstattung, im Neuerwerb von Schriften, von antiken und mittelalterlichen Quellen über Drucke bis hin zu zeitgenössischer Literatur und mehr oder weniger allem, was in irgendeiner Weise in Buchform behandelt wurde. Darüber hinaus legte er Wert auf die Zugänglichkeit der Bibliothek für die Allgemeinheit. Schließlich sorgte Leibniz für einen Neubau, der sogenannten Bibliotheksrotunde, die 1706 – 1710 unter dem Baumeister Hermann Korb errichtet wurde. Im Jahr 1707 gab Leibniz unter dem Titel „Scriptores rerum Brunsvicensium“ eine umfangreiche Quellensammlung über das Welfenhaus heraus, wenngleich die erwähnte Familiengeschichte unabgeschlossen blieb. 1710 erschien sein einziges zu Lebzeiten veröffentlichtes Buch, die „Theodicée“, eine Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt. Sein Hauptwerk, die „Monadologie“, erschien wenige Jahre nach seinem Tod. Auch als Mathematiker, Sprach- und Naturwissenschaftler leistete Leibniz Außergewöhnliches. Die Erfindung der Infinitesimalrechnung ist nicht zuletzt wegen des Prioritätsstreits mit Newton im Bewusstsein der Öffentlichkeit geblieben. Leibniz starb im Alter von siebzig Jahren in Hannover, vom kurfürstlichen Hof weitgehend unbeachtet.