Dr. Jürgen Conrad
Leiter der Museen des Landkreises Gifhorn

Dr. Jürgen Conrad
<P>Das für seine Konzeption und Aktivitäten mit Preisen ausgezeichnete Historische Museum Schloß Gifhorn ist eines von insgesamt fünf Museen, deren Träger der Landkreis Gifhorn ist. Zu ihnen gehören außerdem das Schulmuseum Steinhorst, das Museum Burg Brome, das Klosterhofmuseum Isenhagen und das Kavalierhaus Gifhorn. Domizil des Historischen Museums ist der Nordflügel des Gifhorner Schlosses, das sogenannte Kommandantenhaus. Hier erhält der Besucher einen Einblick in die historische Entwicklung der Region von der Urzeit bis zur Gegenwart: Ur- und Frühgeschichte, Kreis- und Stadtgeschichte, Volkskunde, Industrialisierung am Beispiel der Gifhorner Glashütte, bürgerliche Kultur, Flora und Fauna in einer sich wandelnden Umwelt.

In der Museumskasematte, einem beeindruckenden Backsteingewölbe, das früher zum Verteidigungssystem des Schlosses gehörte, finden jährlich mehrere Sonderausstellungen zu regionalen und überregionalen Themen statt. Alle zwei Jahre verwandelt sich die Museumskasematte in eine kleine Kunsthalle. Dann werden hier die Werke der Bewerber um den Kunstpreis des Landkreises Gifhorn präsentiert. Der speziell für junge Künstler ausgeschriebene und mit einem Stipendium verbundene Preis bildete bereits für viele - auch ausländische - Künstler ein Karrieresprungbrett.

Zu den Ausstellungsschwerpunkten gehört auch die Geschichte des Schlosses, das von 1539 bis 1549 Residenz des Herzogs Franz von Braunschweig und Lüneburg war. Regionale Sakralkunst und Religionsgeschichte ist ein weiteres Thema, augenfällig repräsentiert durch die in den Museumsbereich integrierte Schlosskapelle.


Die Gifhorner Schlosskapelle
Während die übrigen Gebäude des Gifhorner Schlosses im Stil der Renaissance erbaut wurden, beherrschen spätmittelalterliche gotische Elemente die Architektur der zum Historischen Museum gehörenden herzoglichen Grabkapelle. Sie ist nicht - wie etwa in Celle - unauffällig in die Schlossanlage integriert, sondern erhebt sich als eigenständiger Baukörper zwischen zwei Schlossflügeln. Durch eine offene Vorhalle mit Freitreppe wird ihre Eingangsfassade besonders betont.

Die 1547 vollendete Kapelle ist der erste Sakralbau Norddeutschlands, der eigens für den evangelischen Gottesdienst errichtet wurde. Damit setzte Franz von Gifhorn als Anhänger der Lehre Martin Luthers dem Protestantismus ein frühes Denkmal. Anstelle des spätgotischen flämischen Altars, der in der Niedersächsischen Landesgalerie in Hannover besichtigt werden kann, erwartet den heutigen Besucher ein ungewöhnliches Altarbild: raumgreifend, sehr realistisch - und dennoch heiß umstritten. "Der ungläubige Thomas" heißt das seit 1985 als Ergebnis eines Altarwettbewerbs präsentierte Werk von Johannes Grützke, einem der bekanntesten zeitgenössischen Künstler, dem auch die Aufsehen erregende Bildausstattung der Frankfurter Paulskirche zu verdanken ist.

Das Kontrastprogramm zu dem modernen Altarbild ist unmittelbar links und rechts von ihm in den beiden Chornischen zu sehen. Dort knien die von einem bislang unbekannten Künstler geschaffenen Grabmalfiguren von Herzog Franz und Herzogin Clara auf ihren Sarkophagen. Während der Herzog nach seinem Tod 1549 hier beigesetzt wurde, blieb der Clara zugedachte Sarkophag leer. Sie überlebte den Herzog um ein gutes Vierteljahrhundert und ist im pommerschen Barth bestattet. Die aus Lindenholz geschnitzten Figuren sind von außerordentlicher Qualität und zeigen das Herzogpaar in prachtvollen Gewändern.

Die spätgotischen Gewölberippen der Schlosskapelle waren - wie Untersuchungen ergeben haben - ursprünglich mit einer farbigen Fassung versehen. Eine Rekonstruktion ist aufgrund des vorliegenden Befundes durchaus möglich und angesichts der religions- und architekturhistorischen Bedeutung des Gebäudes sehr wünschenswert, kann aber wegen der hohen Kosten mit öffentlichen Mitteln nicht finanziert werden. Daß sie dennoch in absehbarer Zeit erfolgen wird, ist den von der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg veranstalteten "KapellenKonzerten" zu verdanken, deren Erlöse für die Restaurierung der Gewölberippen vorgesehen sind. Eines ist bereits jetzt sicher: im Jahr 2010 wird die Gifhorner Schlosskapelle in altem Glanz erstrahlen.