2004-10-09 | Verleihung des Kaiserrings der Stadt Goslar an Katharina Sieverding
Katharina Sieverding wird den Kaiserring der Stadt Goslar 2004 am 9. Oktober im Rahmen einer Sondersitzung des Rates der Stadt Goslar in der Kaiserpfalz erhalten. In ihrer Ausstellung „Visual-Studies“ im Mönchehaus-Museum, die im Anschluss an die Kaiserring-Verleihung eröffnet ist, wird die Künstlerin Werke aus den Jahren 1973-2004 zeigen. Neben einer Serie von Portraits aus dem Jahr 1973 und neuen Arbeiten aus der Serie „Visual Studies“ aus diesem Jahr, zeigt Katharina Sieverding in einer großformatigen Projektion ihre Videoarbeit „Weltlinie“ aus dem Jahr 1999. In einer unaufhörlichen Metamorphose der Bilder vollzieht sich im steten In- und Gegeneinander ein Reigen von subjektivem Portrait und Bildern gesellschaftlicher Realität. Der menschliche Körper wird in diesem kaleidoskopischen Gewitter der Wahrnehmung gewissermaßen zur Projektionsfläche wie zum Aktionsfeld der Erfahrung politischer Wirklichkeit.

Katharina Sieverding, 1944 in Prag geboren, zählt zu den herausragenden Künstlerinnen unserer Zeit. Ihre Karriere begann die Künstlerin am Theater, wo sie an renommierten Häusern und an der Akademie in Düsseldorf als Assistentin und Schülerin des Bühnenbildners Theo Otto arbeitete, bevor sie im Jahr 1967 in die Klasse von Joseph Beuys an der Düsseldorfer Akademie wechselte und dort als Meisterschülerin bei Beuys ihr Studium im Jahr 1972 abschloss. Im selben Jahr bereits war sie mit einer Filmarbeit auf der documenta vertreten, an der sie auch in den Jahren 1977 und 1982 teilnahm. Im Jahr 1997 vertrat sie – zusammen mit Gerhard Merz – die Bundesrepublik Deutschland auf der Biennale in Venedig. Seit 1997 lehrt sie als Professorin an der Universität der Künste in Berlin.

Katharina Sieverdings künstlerisches Werk, das sich von Beginn an sowohl in Performances, als Body Art, wie auch in experimentellen Foto- und Filmarbeiten formulierte, kreist um die Fragen der Identität des Subjekts im Geflecht gesell-schaftlicher Strukturen. Ihre Arbeiten fokussieren gewissermaßen den Schnittpunkt zwischen Gesellschaft und Individuum. Wie findet das Subjekt seinen Ort in einer Gesellschaft, in welcher Weise wird das Individuum von den gesellschaftlichen Konditionen geprägt? Mit ihren Werken legt die Künstlerin die dominierenden Konflikte unserer Zeit frei und formuliert sie im Gestus des Widerstands. Die politische Dimension ihres Werkes hat so bis heute nichts von ihrer virulenten Kraft eingebüßt. Ihre kritische Reaktion auf herrschende gesellschaftliche Zustände, die sie immer in der Sprache der Kunst formuliert, geriet mit Bildern wie „Schlachtfeld Deutschland“ oder „Deutschland wird deutscher“ gar zum Skandal.

Insbesondere mit ihren großformatigen Fotoarbeiten hat Katharina Sieverding das künstlerische Potential der Fotografie revolutioniert. Sie gilt als Pionierin der Fotokunst. So heißt es in der Begründung der Jury des Goslarer Kaiserrings: „Katharina Sieverding hat wesentlich zur Erweiterung der Fotografie beigetragen. Die sogenannte Objektivität der Fotografie bricht die Künstlerin. Ihre Menschen-bilder verbürgen nicht mehr Identitäten, keine anschaulichen Evidenzen, sondern Gesichter in einem dramatischen Licht- und Schattenfluss (...). Ihre Bilder zeigen etwas nie zuvor Gesehenes, sie sind von beunruhigender Virulenz. So erschafft die Künstlerin eigene Bildwirklichkeiten, die als ‚Modelle geschärfter Wahrnehmung’ (Klaus Honnef) die Wirklichkeit anders erfahren lassen. Wichtiger als das bloße Abbild sind die Mechanismen und Strukturen der Realität.“