Nur wenige Einblicke in die Braunschweiger Stadtbaugeschichte genügten dem Venezianer Plessi, den Verlust schöner Brücken zu entdecken und zu beklagen: Sein erster Entwurf (zur Ausstellung 1999) war der vormals hohen und filigranen Stahlkonstruktion am Löwenwall gewidmet, die der Kurt-Schumacher-Trasse weichen mußte. Auch der zweite, jetzt realisierte "Bogen der Erinnerung" ist an der Stelle einer demontierten Brücke zum ehemaligen Bahnhof errichtet.
 
Weil diese Okerüberquerung zum Gieselerwall spurlos verschwunden ist, mußte ihre Wiedererweckung buchstäblich konstruiert werden, natürlich nicht als "Rekonstruktion", sondern als Re-Animation in der Handschrift eines Künstlers, in dessen Lebenswerk das Memorieren ein immerwiederkehrendes Hauptmotiv ist. Da die Erinnerung gern in Bildern spricht, da sie die Kopfarbeit der Vorstellungskraft voraussetzt, sind Abstraktion, Transformation und Virtualisierung ihre üblichen poetischen Werkzeuge. Plessis Evokationsmethode, die künstlerische Kennung seines gesamten Werkes sogar, besteht in der Konfrontation realer Objekte und bewegter Bilder; doch anders als im Kino sind seine Filme suggestiv, nicht narrativ.
 
Paradoxa beherrschen die Szenarien, auch in der Braunschweiger Installation: das Bachbett über dem Flusslauf; die unbegehbare Brücke; high-tech-Apparaturen unter verrosteter low-tech-Konstruktion. Auch hier trifft wieder ein Indikator des Realen –ein veritabler Brückenbogen– auf die Simulation einer Wasserströmung.
 
Erstmals geschieht dies übrigens im Aussenraum und in einem Dimensionssprung ins Landschaftliche: Plessi erprobt die bisherige Museumsinstallation jetzt in situ; die Monitore haben ihren Video-Dialog in Wind und Wetter fortzusetzten; ihr son-et-lumière hat dem Verkehrslärm und der Strassenbeleuchtung zu trotzen.
 
Für den Bewohner Venedigs ist die unio mystica von Wasser und Licht eine alltägliche Erfahrung, und nichts lag ihm näher, als im Okerparcours auf die "wasserstädtischen" Eigenschaften Braunschweigs anzuspielen. Der Bogen der Erinnerung spannt sich nicht nur zwischen Episoden der eigenen Stadtgeschichte, sondern auch zu den Flussufern aller möglichen Traumstädte, die aus unserem Gedächtnis abrufbar sind.
(G. A.)

Architektonische Umsetzung:
Gerhard Auer
 

 

 

Das Kunstwerk von Fabrizio Plessi entsteht mit freundlicher Unterstützung der NORD/LB.

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