Sightseeing heißt Orte sehen. Und zwar ganz besondere Orte auf eine ganz besondere Art. Es müssen großartige, berühmte, idyllische Orte sein und der Blick, mit dem sie gesehen werden, ist der schnelle Augenblick. Weil er zu schnell ist, wird er fotografisch vom Moment auf die Ewigkeit verlängert.
 
Das Synonym für diese fotografische Blick-Zeit-Verlängerung ist das DIA, das Bild, das leuchtet. Sightseeing und Reisedias bilden eine Einheit, weltweit. Touristen mit dem idyllischen Blick (Wo ist die nächste romantische Brücke?) und Einheimische mit dem utilitaristischen Blick (Wann wird die Ampel grün?) sehen diese Brücke auf unterschiedliche Art. Trotzdem ist es ein Ort! Diesen Ort gilt es zu sehen: Nicht romantisch, nicht utilitaristisch, sondern so wie er ist.
 
Das Wort, das diesen Ort zusammenfassend bezeichnet, heißt FLUSS. Der Verkehrsfluss, breit, laut, hell, schnell und hart und der Wasserfluss, schmal, leise, dunkel, langsam und weich. Beide überschneiden sich. Beide sind in Bewegung, fließen und haben doch gar nichts miteinander zu tun. Ist man auf der Straße, erlebt man den Fluss des Wassers nicht; ist man auf dem Fluss, nimmt man die Autostraße nicht wahr.
 

Zwei überdimensionale Dias, an beiden Seiten der Brücke angebracht, leuchten aus sich. Sie sind janusköpfig, von jeder Seite mit einem anderen Motiv versehen und sind sowohl von der Straße als auch vom Fluss aus zu sehen. Sie zeigen die Wirklichkeiten, die man so nicht sieht: Sie zeigen die ruhige Wirklichkeit des Wasserflusses, wenn man mit dem Auto über die Brücke braust und sie zeigen die hektische Wirklichkeit des Autoflusses, wenn man mit dem Boot auf dem Fluss gondelt.

 

Sightseeing, welches diese Dias ermöglichen, ist weder durch die alltägliche noch durch die touristische Brille gefärbt. Gesehen wird lediglich der Ort, wie er ist: Seine ihm eigene, spannungsgeladene, heterogene Wesensart; die der sich kreuzenden Flüsse. Die Dias wechseln ihr Erscheinungsbild je nach Tageszeit. Tagsüber tritt die helle Geometrie des Rahmens in den Vordergrund, bei Dunkelheit das gläserne Innere und die eher dunkle Zone zwischen Brücke und Wasser wird auf besondere Weise erhellt.

Ulrike Böhme

 
 
Das Kunstwerk von Ulrike Böhme entsteht mit freundlicher Unterstützung der
STADT BRAUNSCHWEIG
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