1913 - ein Jahr mit Erinnerungspotenzial

Das Jahr 2013 ist für Deutschland - und Europa - ein Jahr mit besonderem Erinnerungspotenzial: 200 Jahre Völkerschlacht, 200. Geburtstag Richard Wagners, 100. Geburtstag Willy Brandts. Neben diesen nationalen Themen gibt es ... (mehr)

Braunschweiger Jahreschronik 1913

Januar 1913
Schon zu Beginn des Jahres 1913 bewegt sich Braunschweig zwischen Monarchie und Moderne, zwischen Fortschritt und Adelsverehrung. Seit einigen Jahren revolutionieren Omnibusse das deutsche Verkehrsnetz – nun bekommt das Herzogtum am 4. Januar seine erste Kraftomnibuslinie: Braunschweig-Lehndorf-Raffturm-Lamme-Wedtlenstedt-Denstorf.

Ende des Monats, am 27. Januar, feiert Braunschweig den Geburtstag des Kaisers mit einem ausgiebigen Festmahl in Schraders Hotel (Görderlinger-Straße). 300 Personen nehmen an dem Bankett teil, unter ihnen die Spitzen der staatlichen und kommunalen Behörden, Vertreter von Kunst und Wissenschaft sowie aus Handel und Industrie.

 

Februar 1913
Der Verein für Naturwissenschaft war eine angesehene Institution im Herzogtum. Die mehr als 300 Mitglieder studierten und diskutierten in Vorträgen, Ausflügen und Besichtigungen die neuesten Forschungen im Bereich Naturwissenschaft. Am 16. Februar feiert der Verein sein 50-jähriges Bestehen.

Zwei Tage später erwartet Braunschweig fürstlichen Besuch. Der Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach und die Großherzogin Feodora von Sachsen-Weimar sind am Hof des Herzogregenten in Braunschweig zu Gast.

 

März 1913
Die traditionsreiche Braunschweiger Tischlerei Körner eröffnet im März 1913 ihr Geschäft in der Husarenstraße. Zu den wichtigsten Kunden zählten das Herzogshaus und die herzogliche Leihhausanstalt (später Braunschweigische Staatsbank).

Vor allem prägt im März aber die Politik das öffentliche Leben. Am 3. März bewilligt der Braunschweigische Landtag 1 Million Mark zum Umbau des Hauptbahnhofes. Rosa Luxemburg nimmt am 8. März am Internationalen Frauentag in Braunschweig teil. Und zwei Tage darauf findet die 100-Jahr-Feier anlässlich des Beginns der Freiheitskriege am Obelisken auf dem Löwenwall statt.

 

April 1913
Im Deutsche Kaiserreich hatte man eine Vorliebe für Vereinsmeierei, ob Kulturvereine, Wandervereine oder Vereine zur körperlichen Ertüchtigung. Im April 1913 werden in Braunschweig gleich zwei davon gegründet: der Radfahrerverein „Wanderlust“ und ein Männerturnverein, der sich zunächst im Gasthof „Zum Grünen Wald“ trifft.

Daneben ist der April ein wichtiger Monat für den sehr aktiven Braunschweigischen Verein für Luftschifffahrt. Zuerst bricht der Freiballon „Braunschweig II“ am 6. April zu seiner Tauffahrt auf, dann beschließt der Braunschweigische Landtag am 17. April die Anlage eines Luftschiffhafens auf dem Aerkeröderfeld (heute: Siegfriedviertel).

Freunde des jungen Mediums Kino erleben am 2. April eine Enttäuschung. Der Film „Zwei Bestien“, im Untertitel „Ein Sensationsfilm mit Löwenaufnahmen“, darf von der Gesellschaft „Kino-Palast“ nicht gezeigt werden. Die Begründung: Er sei seinem Inhalt und der Spielweise nach in sittlicher Beziehung anstößig. Was zu diesem Urteil geführt hat, kann nur vermutet werden, der Film ist verloren gegangen. Einen großen Erfolg feiert dagegen die russische Tänzerin Madeleine Trilby am 22. April mit ihrem Auftritt am "Englischen Hof" (Breite Straße 18).

 

Mai 1913
Die Musik rahmt den Mai 1913 in Braunschweig mit zwei Konzerten ganz verschiedener Art. Anfang des Monats gibt die Sänger- und Tänzergesellschaft Franz Rainer eine Kostprobe Tiroler Volksmusik im Wilhelmsgarten. Und am 22. Mai ehrt Braunschweig einen der wichtigsten deutschen Komponisten des 19. Jahrhunderts. Zu Richard Wagners 100. Geburtstag findet ein Festkonzert im Herzoglichen Hoftheater statt. Zudem stiftet der Richard-Wagner-Verband Deutscher Frauen eine Büste des Jubilars, die auf Anordnung des Herzogregenten im Foyer des Hoftheaters aufgestellt wird.

Dazwischen trauern Braunschweigs Literaturliebhaber um Friedrich Huch (18173-1913), auf dessen Beerdigung Thomas Mann spricht, und feiern das 75-jährige Bestehen der Braunschweiger Verlagsbuchhandlung Georg Westermann.

In der Welt des Sports ist Braunschweig Austragungsort des Finales der norddeutschen Fußballmeisterschaft. Zur Freude des anwesenden Herzogs Johann Albrecht gewinnt die Eintracht gegen Victoria Hamburg 3:2 und wird zum zweiten Mal (nach 1908) norddeutscher Fußballmeister. Das Erfolgsrezept der Mannschaft ist ihre innere Geschlossenheit.

 

Juni 1913
Die Fahrzeuge der Büssing AG bekommen ihr Markenzeichen verliehen: den Braunschweiger Burglöwen, der auch nach der Übernahme durch MAN, im Jahre 1972, die Karosserien ziert – wenn auch inzwischen in modernisierter Form.

Am 16. Juni findet an der Herzoglichen Technischen Hochschule Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig eine Feier anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers und Königs Wilhelm II. statt.

 

Juli 1913

Am 12. Juli stirbt Gräfin Marie Luise Victorie von Görtz-Wrisberg. Die Ehrenbürgerin Braunschweigs wird wenige Tage später auf dem Friedhof der Andreasgemeinde beigesetzt.

Für Schlaflose hält die Nacht zum 19. Juli ein Erlebnis bereit: Sie können einen Zeppelin bestaunen, der die Residenz überfliegt.

 

August 1913
Wer die aufregende Zeppelin-Beobachtung im Juli verpasst hat, erhält einen Monat später die zweite Chance, die Pioniere der Luftfahrt zu erleben. Am Morgen des 24. August steigt der Ballon Braunschweig II unter der Führung Dr. Wilhelm Lindemanns von der Gasanstalt an der Taubenstraße auf. Die Landung erfolgt um 17.20 Uhr bei Malchow in Mecklenburg.

 

September 1913
Der September beginnt mit einem sportlichen Höhepunkt: Auf dem Platz von Eintracht Braunschweig wird am 9. September die Deutsche Zehnkampfmeisterschaft ausgetragen. Der sportbegeisterte Herzogregent mischt sich unter die Zuschauer.

Stadt und Herzogtum Braunschweig genehmigen den im April vom Landtag beschlossenen Lufthafen auf dem Aerkeröderfeld, weshalb sich am 11. September die Lufthafen Braunschweig GmbH gründet.

Im Neustadtrathaus wird am 26. September das Städtische Schulmuseum eingeweiht. Es enthält heimatkundliche Sammlungen, ein chemisches und physikalisches Laboratorium sowie eine Handbibliothek.

Schließlich feiert der Pestalozziverein, der das geistige Erbe des bedeutenden Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi weiterführt, am 30. September sein 50-jähriges Bestehen.

 

Oktober 1913
Der Oktober steht im Zeichen politischer Festakte.

Den Anfang machen die Braunschweiger Sozialdemokraten. Seit 1871 geben sie die Zeitung „Der Volksfreund“ heraus. Am 6. Oktober begehen sie das Richtfest des „Volksfreundhauses“, das gleichermaßen als Partei-, Gewerkschafts-, Verlags-, Druckerei- und Redaktionsgebäude genutzt werden soll.

Am 18. Oktober feiert man in Braunschweig wie in ganz Deutschland 100 Jahre Völkerschlacht bei Leipzig, in der zuvor die verbündeten Truppen Preußens, Österreichs, Russlands und Schwedens Napoleon Bonapartes Armee besiegten und die Befreiungskriege entschieden.

Die Berliner Hochzeit des welfischen Thronprätendenten Ernst August von Hannover mit der Kaisertochter Victoria Luise von Preußen im Mai wirkt sich auch auf das Herzogtum Braunschweig aus. Die Landesversammlung und das Staatsministerium richten am 30. Oktober einen feierlichen Abschied für den Herzogregenten Johann Albrecht im Weißen Saal des Schlosses aus. Einen Tag darauf legt der Herzog die Regentschaft nieder.

 

November 1913
Den frei gewordenen Braunschweigischen Thron besteigt Anfang November Herzog Ernst August von Hannover. Damit übernimmt seit 1884 erstmals ein Welfe rechtmäßig die Regierung. Der feierliche Einzug des Herzogpaares am 3. November wird von großen Teilen der Bevölkerung bejubelt.

Die Stadtverordneten beschließen am 13. November die Errichtung einer Sternwarte für Beobachtungen des Himmelsgewölbes auf dem Grundstück des Herzogin-Elisabeth-Lyzeum (heute Gymnasium Kleine Burg).

 

Dezember 1913
Die braunschweigisch-welfische Partei hatte jahrzehntelang für die Rückkehr eines Welfen auf den Thron des Herzogtums gekämpft. Nach dem Regierungsantritt Ernst Augusts sieht sie ihr Ziel verwirklicht und löst sich am 1. Dezember auf.

Derweil nimmt Herzog Ernst August am 12. Dezember an einer seiner ersten Feierlichkeiten als neuer Regent teil: In der festlich geschmückten Aula der Hochschule veranstaltet man eine „Jahrhundertfeier und öffentliche Preisverteilung“ zum hundertsten Jahrestag der Befreiung von der französischen Fremdherrschaft.

Zwei Wochen darauf besucht die Kaiserin vom 29. bis 30. Dezember ihre Tochter Victoria Luise in Braunschweig.

Außerdem geht zum Ende des Jahres das Braunschweigische Adressbuch in seine einhundertste Auflage.

 

Weitere Ereignisse des Jahres 1913 in Braunschweig?
Unter anderem gründet Dr. Ferdinand von Morgenstern die vereinigten Laboratorien Dr. von Morgenstern und Dr. Rosseé, aus der die heutige Berufsfachschule Chemie und Pharmazie Dr. von Morgenstern hervorgegangen ist.

Die Amateurfotografin Käthe Buchler nutzt erstmalig das Lumièresche Autochromverfahren (Farbdiaverfahren) für ihre Fotografien. Die rund 175 Autochromplatten bestechen durch ihre ungewöhnliche Materialität und Farbigkeit. Sie werden heute im Nachlass der Fotografin im Stadtarchiv Braunschweig aufbewahrt.