Interview mit dem Stifter Richard Borek
Die Unternehmerfamilie Richard Borek führt ein europaweit operierendes Versandhaus, das Sammelobjekte vertreibt und sich für die Kultur der Stadt Braunschweig engagiert.
Die Firma Richard Borek finanzierte die Wiederherstellung der Quadriga des Braunschweiger Residenzschlosses, die durch die Richard Borek Stiftung durchgeführt wurde.
1. Herr Borek, Ihr Vater kämpfte vergeblich gegen den Abriss des Schlosses. Was bedeutet es für Sie, sich für den Aufbau des Schlosses und nun auch für die Aufbringung der Quadriga zu engagieren?
Seitdem mein Vater 1960 vergeblich gegen den Abriss des teilzerstörten Braunschweiger Schlosses protestiert hatte, habe ich mich, nachdem ich das Unternehmen von meinem Vater 1974 übernommen hatte, immer wieder dafür engagiert, die Erinnerung an die sogenannte 2. Zerstörung des Schlosses wach zu halten. So unterstützte ich 1986 die Herausgabe des Bandes „Das ehemalige Residenzschloss zu Braunschweig“ von Dr. Bernd Wedemeyer und entwickelte 1996 gemeinsam mit dem Bauunternehmer Michael Munte eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, das Schloss wiederaufzubauen, leider damals vergeblich.
Unser Residenzschloss ist nun einmal Ausdruck der früheren Selbständigkeit des Braunschweiger Landes. Gerade in einer globalen Welt ist es als Wirtschaftsgebiet überlebenswichtig, lokales Selbstbewusstsein zu entwickeln. Dieses kommt ja eindeutig durch die imposante Schlossfassade und nun durch die Quadriga zum Ausdruck.
2. Wie reagieren die Braunschweiger auf das neue Ensemble in der Stadt?
Wir brauchen uns doch nur einige Stunden den Schlossplatz anzusehen, um festzustellen, wie stark der Wiederaufbau des Residenzschlosses von der Braunschweiger Bevölkerung angenommen worden ist. Ich spüre einen neuen gesunden Lokalpatriotismus, der uns wirklich gut tut nach all den Jahren, in denen wir selbst schon nicht mehr an unser doch vorhandenes großes kulturelles Erbe glaubten. Die Zahlen sprechen für sich: sowohl die Schlossarkaden als auch die Öffentliche Bücherei und die Innenstadtkaufleute melden zufriedenstellende Frequenzen.
3. Die Original-Quadriga war ja nach der starken Beschädigung des Schlosses Opfer von Buntmetalldieben geworden. Wie konnte die Quadriga rekonstruiert werden?
Ausgang der Wiederherstellung der Quadriga war das noch in der Dresdner Skulpturensammlung erhaltene Originalmodell des Bildhauers Ernst Rietschel von 1856/61 im Maßstab 1:3 der späteren Ausführung.
Im klassischen bildhauerischen Verfahren wurde ein 1:1 Gipsmodell auf einen heutzutage üblicherweise verwendeten Styroporkern angefertigt. Hilfsmittel ist die „Zerlegung“ des 1:3 Modells in ein mit Bleistift aufgezeichnetes Schichtenmodell mit ca. 3-5 cm Schichtendicke. Ferner erfolgt die Festlegung von länglichen Schichtenabschnitten, die dann durch die bildhauerische Erfahrung, das Auge des Künstlers, stückweise hochvergrößert werden, so lange, bis eine Figur vollständig ist.
Die von der Bronzekunstgießerei Emil Kosicki in Komorniki bei Posen betriebene Herstellung einzelner Gussteile auf der Grundlage des 1:1 Gipsmodells ist das sehr aufwendige Wachsausschmelzverfahren mit der „verlorenen Form“. Ferner gehört dazu das Verschweißen dieser handgefertigten und handpolierten Bronzeteile von ca. 40 x 60 cm mit bis zu 8-10 mm Dicke und ca. 70 kg Gewicht ohne Nähte, was in der Summe den von der Bronzekunstgießerei Emil Kosicki verwendeten Fertigungstechniken und der hochqualitativen Siliziumbronze zu verdanken ist.
4. Wie nah kommt die Quadriga dem Original?
Zu 99%. Da die Neuanfertigung vom Dresdner 1:3 Modell von 1857/60 ausgeht, dem nur die flexiblen Elemente wie Wagenbänder und Zügel und kleine Details wie Ehrenstab und Wappenpferd fehlten, ist die Neuanfertigung eine direkte Vergrößerung des Modells, angefertigt von zwei erfahrenen Bildhauern. Die dem Modell fehlenden Elemente entstanden genauestens nach historischen Fotografien.
Die 3. Quadriga weicht allerdings beim Material Bronze vom Original mit seinen Kupferplatten ab. Dieses Material wäre auf Dauer zu witterungsunbeständig gewesen.
5. Die Quadriga ist die größte Europas, wenn nicht gar der Welt. Sie wurde in Komorniki bei Posen gefertigt und anschließend nach Braunschweig transportiert. Zwei Jahre hat es gedauert, bis sie nun fertig ist. Wo lagen die besonderen Herausforderungen dieses Projektes?
Die voraussetzungslose Bewältigung der großen Massen in einem Aufgabenbündel stellte für alle Beteiligten, Bildhauer, Gießerei, Prüfkommission und Statiker, die Herausforderung Nr. 1 dar. Die Quadriga mit 9,5 m Höhe, 9,5 m Länge und 7,5 m Breite nimmt die Maße eines Einfamilienhauses ein. Diese Riesenfiguren, 4 Pferde, ein Wagen und die Lenkerfigur, bedeuteten für die Bildhauer in ihrer bisherigen Laufbahn die größte bewältigte Aufgabe. Auch die Gießerei musste bei den Größen der in die Hunderte gehenden Gussformen, Schweiß- und Polierarbeiten über ihre Grenzen, aber schließlich erfolgreich, hinausgehen. Statische Konzepte und Fertigungsmodelle für ein noch nicht dagewesenes - das größte zeitgenössische Bildhauerprojekt Europas - mussten entwickelt werden, die die Standfestigkeit für Jahrzehnte auch gegen größte Stürme garantieren werden. Die Anfertigung der 3. Quadriga unterschreitet mit ihren gut 2 Jahren von Mai 2006 - Herbst 2008 aber noch die Herstellungsdauer der beiden zerstörten Schlossquadrigen von 1857 - 1863 und 1865 - 1868.
6. Die Richard Borek Stiftung wurde 1981 von Ihnen gegründet. In rund 25 Jahren wurden etwa 450 Projekte gefördert, die die kulturelle Bedeutung der Region Braunschweig verbessern. Was treibt Sie an, Kultur in Braunschweig zu fördern?
Man soll Stärken verstärken, und eine gute Stärke Braunschweigs im Wettbewerb der Städte der Region ist nun einmal die Kultur. Außerdem: Kultur ist mein Hobby, wohl hervorgerufen durch meinen Beruf, Briefmarken und Münzen zu vertreiben - das sind ja nun einmal Kulturobjekte.
7. Welche Pläne hat die Richard Borek Stiftung für die Zukunft?
Vor einigen Jahren haben wir mit der Unterstützung sozialer Projekte begonnen. Das werden wir ausbauen, zumal ja durch die beiden großen Stiftungen, Stiftung Nord/LB-Öffentliche und Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, hervorragende Kulturförderung betrieben wird. Ansonsten ist die Devise von meiner Frau und mir: wir fördern, was uns Spaß macht.
8. Was schätzen Sie am Leben in Braunschweig persönlich am meisten? Was empfehlen Sie Gästen der Stadt?
Wir leben in eine mittelgroßen Stadt mit den kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen einer Großstadt. Das macht das Leben hier so lebenswert. Gästen empfehle ich, nicht nur 3 Stunden, sondern 3 Tage zu bleiben, eine Fahrt auf der Oker zu machen und sich das Naturschutzgebiet und die Klosterkirche Riddagshausen anzusehen.
9. Was fehlt Ihnen noch in Braunschweig?
Mir fehlt die Umsetzung der Gestaltungsleitlinien von Prof. Ackers für die Braunschweiger Innenstadt. Nur so könnte sie als attraktive Einkaufsalternative gegenüber den Schlossarkaden auch in den nächsten Jahrzehnten erhalten bleiben. Außerdem: Braunschweigs Innenstadt, die vor der Zerstörung 1944 als Rothenburg des Nordens bezeichnet wurde, muss endlich wieder ein vorzeigbares Gesicht erhalten.