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Und täglich grüßt die Wissenschaft
23.01.2007

Getrocknet und fast 300 Jahre alt

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Fast 300 Jahre
haben die Pflanzen eines 15-bändigen Herbariums aus dem 18. Jahrhundert unbeschadet überstanden - zu finden in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.

Glosse

"Zwanzig Männer und mehr in demselben Bett mit einer Frau." Keine Sorge, lieber Leser, wir wahren die guten Sitten. Es geht hier um reine Wissenschaft. Der zitierte Satz stammt vom schwedischen Naturforscher Carl von Linné (1707-1778), der damit 20 und mehr Staubgefäße bei einer Blüte meinte - nachzulesen in seiner Schrift "Praeludia sponsaliorum plantarum" ("Hochzeiten der Pflanzen"). Linnés Idee, das System der Pflanzen auf deren "Sexualität" zu gründen, sorgte seinerzeit für Aufsehen. So entrüstete sich Johann Georg Siegesbeck (1686-1755), der in Helmstedt als Arzt arbeitete und später den Botanischen Garten in St. Petersburg betreute, über "solch verabscheuungswürdige Unzucht im Reich der Pflanzen". Wie Linné beschäftigte sich auch Siegesbeck damit, die Vielfalt der Pflanzen systematisch zu erfassen und zu erforschen. 15 Bände umfasst sein Herbarium (lateinisch herba =Kraut), eine Sammlung getrockneter, geordneter und beschriebener Pflanzen. Das Herbarium mit den fast 300 Jahre alten Exemplaren wird in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel aufbewahrt und dieses Jahr anlässlich einer Ausstellung zur Naturgeschichte erstmals näher untersucht. Ausstellungsbeginn ist der 28. Oktober. (gef)



Fakten

Herbarien - Zeitzeugen der Flora vergangener Epochen

Pflanzen überstehen Jahre, sogar Jahrhunderte sehr gut - vorausgesetzt, sie werden fachgerecht getrocknet und aufbewahrt. Eine solche Sammlung bezeichnet die Wissenschaft als Herbarium (lateinisch herba =Kraut). "Für die heutige Botanik sind diese Sammlungen unverzichtbare Zeitzeugen der Flora vergangener Epochen", sagt Dr. Petra Feuerstein-Herz. Die Biologin und Historikerin arbeitet in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und ist unter anderem zuständig für den Kauf von Drucken aus dem 17. Jahrhundert.In diesem Jahr arbeitet die Wissenschaftlerin an einem besonderen Projekt: Anlässlich einer Ausstellung zur Naturgeschichte vergangener Zeiten wird das in 15 Bänden plus einem Registerband überlieferte Herbarium von Johann Georg Siegesbeck (1686-1755), das die Bibliothek aufbewahrt, erstmals näher untersucht.

Siegesbeck arbeitete in Helmstedt als Arzt, ging später nach Russland und betreute den Botanischen Garten in St. Petersburg. Eine gewisse Berühmtheit erlangte er in einem Streit mit dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné (1707-1778). Linnés Idee, das System der Pflanzen auf deren "Sexualität" zu gründen, hielt der norddeutsche Arzt und Botaniker für unzüchtig und wider die guten Sitten. Wie sein schwedischer Kollege beschäftigte sich auch Siegesbeck damit, die Vielfalt der Pflanzen systematisch zu erfassen. Er sammelte etliche hundert Exemplare, ordnete, klassifizierte und beschrieb sie. "Im zweiten Band seines umfangreichen Herbariums beispielsweise stellt er einen Zweizahn vor", erläutert Feuerstein-Herz. "Dieser Korbblütler wächst an Ufer- und Sumpfgebieten in ganz Europa und wird auch als Wasserhanf oder Wasserdost bezeichnet. Sein wissenschaftlicher Artname heißt heute Bidens tripartita L. - das "L" steht für Linné." Linné führte die bis heute gültige binäre Nomenklatur ein, das heißt für alle Pflanzen und Tiere den zweigliedrigen Namen. Der erste Teil ist der Name der Gattung, der zweite charakterisiert zusammen mit dem ersten die Art.
Siegesbeck, so die Wissenschaftlerin, habe die Pflanze nicht mit einem Namen benannt, sondern eine kleine Beschreibung gewählt: "Bidens foliis tripartitis procexior, floribus maioribus", übersetzt "Zweizahn mit dreiteiligen Blättern langgestreckt, mit größeren Blüten."

Die sorgfältig getrockneten Pflanzen sind alphabetisch nach den lateinischen Pflanzenbenennungen geordnet. Die Pflanzen sind auf Papierblätter aufgeklebt und in die großformatigen Bücher mit leeren Seiten nur lose eingelegt. So war es für den Botaniker einfacher, sie neu zu sortieren, sollten neue Exemplare hinzukommen. Ob die später nach ihm benannte Pflanze Siegesbeckia ebenfalls in der Sammlung zu finden ist, wird die detaillierte Untersuchung in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel zeigen. Die Ausstellung beginnt am 28. Oktober 2007 sein und ist bis zum 24. Februar 2008 zu sehen.
(gef)



Kontaktinformationen

Institution: Herzog August Bibliothek (HAB)
Adresse: Lessingplatz 1 38304 Wolfenbüttel
WWW: http://www.hab.de
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