Wie ausgewechselt...
Kopernikus
zeigt uns, dass der Mensch Zusammenhänge richtig erkennen kann, auch wenn sie seinen Sinnen anders aufgehen.
Glosse
Wie mag es einem erprobten Mittelstürmer ergehen, der sich in der Hochphase des Spiels unversehens auf der Auswechselbank wiederfindet? Wohl oder übel wird er seinen Kollegen mit finsterer Miene beim Kicken zusehen, wenn er nicht gleich zum Duschen geht.
Bis ins Mark gekränkt und wie ausgewechselt musste sich auch der Homo sapiens im Laufe seiner Geschichte vorkommen, immer dann, wenn bedeutende Neuerungen an seinem Weltbild rüttelten. Solche Kränkungen behauptet zumindest Sigmund Freud, und er nennt Namen: Kopernikus, Darwin und schließlich Freud selbst. Doch auch der Urvater der Psychoanalyse irrte gelegentlich.
Kopernikus, war das nicht dieser Schelm, dem wir es verdanken, dass unsere schöne Erde und seine Bewohner nicht länger Zentrum des Universums sind? Eine eindeutige Antwort darauf gibt Wolfgang Buschlinger vom Philosophischen Seminar der TU Braunschweig: ja und nein. Gemeinsam mit seinen Studenten untersucht er die Wirkung der so genannten Kopernikanischen Wende, und er fördert Erstaunliches zu Tage: Dadurch, dass Kopernikus die Vernunft von der alltäglichen Erfahrung (Sonnenbewegung) emanzipiert, stellt er den Menschen gerade nicht an den Rand, sondern ins Herz der Welt.
Derweil allerdings denkt unser Mittelstürmer darüber nach, die Sportart zu wechseln - vielleicht als Kreisläufer zum Handball.
(rei)
Fakten
Die bewegte Erde
Mit kaum einem anderen geschichtlichen Ereignis sind so viele Irrtümer verbunden wie mit der "Kopernikanischen Wende". Weder kam Kopernikus ernsthaft mit der Kirche in Konflikt, noch überwand er die bis dahin geltende Aristotelische Physik. So behauptete schon Nikolaus von Oresme Mitte des 14. Jahrhunderts, also 150 Jahre zuvor, dass die Erde sich um ihre eigene Achse drehe. Ein Schritt, der ermöglichte, bis dahin unerklärliche Himmelsphänomene zu deuten. Die einzige Ablehnung, die Kopernikus selbst erfuhr, bestand darin, dass man ihn einer gewissen Neuerungssucht bezichtigte. Wolfgang Buschlinger vom Philosophischen Seminar der TU Braunschweig rückt in einer aktuellen Lehrveranstaltung viele der geschichtlichen Schieflagen wieder gerade. Anhand von Texten des Philosophen Hans Blumenberg (1920 - 1996) untersucht er die Wirkungsgeschichte des Kopernikanischen Gedankens. Erst durch nachfolgende Astronomen wie Giordano Bruno, der übrigens zeitweilig in Helmstedt lehrte, und Galileo Galilei wurden die Thesen in Kopernikus' Hauptwerk "De Revolutionibus Orbium Coelestium" allmählich zum Politikum. Die eigentliche Leistung, so Buschlinger, liege darin, dass Kopernikus etwas denkt, was der sinnlichen Erfahrung in der Welt scheinbar widerspricht. Schließlich sehen wir ja, wie die Sonne auf- und untergeht. Dieser neue rationale Zugang zur Welt, der ohne Anschaulichkeit allein im Geist stattfindet, rückt den Menschen erst recht ins Zentrum des Universums. (rei)
Kontaktinformationen
Name: | Dr. Wolfgang Buschlinger |
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Institution: | Technische Universität Braunschweig, Seminar für Philosophie |
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Telefon: | 0531/391-8626 |
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