direkt zum Inhalt zur Hauptnavigation zur Bereichsnavigation
Und täglich grüßt die Wissenschaft
10.03.2007

Sparsames Genie

Diese Seite empfehlen Empfehlen
Diese Seite ausdrucken Drucken
RSS Feed RSS Feed

Rubensbilder
auf Holztafeln sind Zeitreisen mit oftmals schadhaften Vehikeln.

Glosse

Geiz ist geil - mag sich ein arbeitsloser Holzwurm gedacht haben, als er in einen zwar billigen, aber noch recht soliden Plattenbau zog. Das Elend kam erst später. Schließlich konnte er nicht wissen, dass der bedeutendste flämische Maler, Peter Paul Rubens, seine Wohnstatt als Malgrund verwenden würde. Und es wurde schlimmer. Nachdem der Maler schon einige Unzen Farbe verstrichen hatte, begann er, an verschiedenen Seiten der Fassade anzubauen.
Was den Wurm Ruhe und Lebensfreude kostete, ist für Kunsthistoriker von heute ein Glücksfall. Wenn Silke Gatenbröcker vom Herzog Anton Ulrich-Museum vor dem berühmten Gemälde "Judith mit dem Haupt des Holofernes" steht, schaut sie Rubens quasi über die Schulter. Dass das Braunschweiger Bild auf eine offensichtlich minderwertige Holztafel gemalt wurde und zudem Anstückungen aufweist, lässt einen überraschenden Einblick in den Werkprozess zu. Modernste Infrarot- und Röntgentechnik stehen dabei Pate.
Für die Kunsthistorikerin ist klar: Eine solche Tafel war einem Auftraggeber nicht zuzumuten und daher vom Künstler ausschließlich für persönliche Studien angeschafft worden, was auch die zahlreichen Umarbeitungen der Bildkomposition belegen.
Und der Holzwurm - wenn er nicht verarmt gestorben ist - lebt vielleicht zur Untermiete bei Familie Rembrandt nebenan.
(rei)



Fakten

Blick in die Werkstatt

Dass das Herzog Anton Ulrich-Museum eine bedeutende Sammlung niederländischer Malerei beherbergt, die zum großen Teil aus dem Besitz der Braunschweiger Herzöge stammt, ist hinlänglich bekannt. Weniger im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist die Tatsache, dass die Bilder permanent unter den wachsamen Augen von Restauratoren und Kunsthistorikern stehen, die ihnen Jahr für Jahr neue Geheimnisse entlocken. So geschehen bei zwei Meisterwerken von Peter Paul Rubens, die anlässlich einer Sonderausstellung zum 250jährigen Bestehen des Museums technologisch näher untersucht wurden. Was die betreffenden Bilder "Judith mit dem Haupt des Holofernes" und das Portrait "Marchese Ambrogio Spinola" preisgaben, wird bis heute wissenschaftlich ausgewertet. Die Braunschweiger Kunsthistorikerin Silke Gatenbröcker schreibt dazu in einem Beitrag: "Bei beiden Gemälden stellten sich einige bis dahin unbekannte Besonderheiten im Aufbau der Holztafeln und im Entstehungsprozess der Malerei heraus, die zu anschließenden kunsthistorischen Überlegungen herausforderten." Die Holztafeln offenbarten sich nämlich als schadhaft und wiesen auch nicht die übliche Qualitätsbescheinigung der angesehenen Zunft der Tafelmacher per Brandstempel auf. Bei der "Judith" zeigte sich überdies, dass im Laufe des Werkprozesses weitere Bretter vertikal und horizontal hinzugefügt worden waren, was letztlich die Bildaussage veränderte und konkretisierte. Zudem werden insbesondere in Infrarot-Aufnahmen zahlreiche Übermalungen sichtbar, die zum Teil dem veränderten Format geschuldet sind. Ergo, folgern Gatenbröcker und ihre Kollegen, waren diese Tafeln wohl kaum für Auftragsarbeiten bestimmt. Da die Kosten für Material vom Auftraggeber ohnehin nicht übernommen wurden, liegt es nahe, dass Rubens schlicht Sparsamkeit walten ließ und die Tafeln nur für den persönlichen Werkstattgebrauch vorsah. (rei)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Silke Gatenbröcker
Institution: Herzog Anton Ulrich-Museum
Adresse: Museumstraße 1
38100 Braunschweig
Telefon: 0531/12250
WWW: http://www.museum-braunschweig.de
© Stadt Braunschweig | Impressum