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Und täglich grüßt die Wissenschaft
24.03.2007

Heilsame Knolle im Konfekt

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Confect mixtae et coloratae
heißt aus dem Lateinischen übersetzt gemischtes und gefärbtes Konfekt. Die Köstlichkeiten aus Anis, Ingwer, Koriander & Co fertigte die Wolfenbütteler Hofapotheke für den herzoglichen Hof.

Glosse

Ingwer - in dieser Knolle stecken Kräfte: Vitamine und Mineralien, vor allem aber ätherische Öle. Die regen fleißig die Durchblutung an, lösen Verkrampfungen im Magen-Darm-Trakt. Rheuma? Hier hilft ein Ingwerbad. Verstauchungen, Muskel- und Gelenkschmerzen? Eine Ingwerkompresse lindert den Schmerz. Und zudem - prima Nebenwirkung - gilt die scharfe Wurzel als Aphrodisiakum.
Die heilsame Kraft des Ingwers war in der frühen Neuzeit am herzoglichen Hof in Wolfenbüttel längst kein Geheimnis mehr. Die Hofapotheker verarbeiteten die Knolle sogar zu Konfekt, das bei den Herzögen und ihren Familien beliebt war. Dr. Gabriele Wacker von der Herzog August Bibliothek (HAB) Wolfenbüttel hat das schwarz auf weiß. "Arznei und Konfekt - Apotheke und höfische Lebenswelt" heißt ihr Forschungsprojekt, in dem sie den ungesichteten Archivbestand über die Wolfenbütteler Hofapotheke vom 16. bis 18 Jahrhundert auswertet.
"Konfekte waren nicht nur Nascherei, sondern wurden aus gesundheitlichen Gründen gegessen. Marzipan beispielsweise galt als Kraftbrot", sagt die Wissenschaftlerin. So bestellten die Herrschaften in der Apotheke - etwa wenn sich im Schloss hoher Besuch ankündigte - "confect mixtae et coloratae", also gemischtes und gefärbtes Konfekt, welches auch zum Frühstück genossen wurde.
Apropos Besuch: In einem Gemäuer kann es ja mitunter muffig riechen, gerade in Zeiten, als man es mit der Hygiene noch nicht so genau nahm. Um die Luft vor Ankunft der Gäste wohlriechend zu machen, wurden "in der frembden gemecher" Räucherkerzen mit ätherischen Ölen angezündet. Die Hofapotheker kreierten aus Weihrauch, Bernstein, Moschus, Ambra, Mastix und Storax begehrte Raumdüfte. "Während der Pest", erzählt Wacker, "hat man Schlossräume und Hofstuben mit Rauch gereinigt, was wir heute als Desinfektion kennen - damals nach der Devise: Was stark riecht, hat eine starke Wirkung."
(gef)



Fakten

Arznei und Konfekt

Um Heilsames und Wohlschmeckendes geht es in dem Forschungsprojekt "Arznei und Konfekt - Apotheke und höfische Lebenswelt", das sich mit der frühneuzeitlichen Wolfenbütteler Hofapotheke beschäftigt. Dr. Gabriele Wacker von der Herzog August Bibliothek (HAB) Wolfenbüttel wertet seit Mai 2006 den bisher ungesichteten Archivbestand aus. Die handschriftlichen Listen sind überwiegend Rechnungslisten aus drei Epochen: aus der Zeit Herzog Julius` (reg. 1568-1589), Herzog Heinrich Julius` (reg. 1589-1613) und Herzog Friedrich Ulrichs (reg. 1613-1634) sowie Herzog Anton Ulrichs (reg. 1685-1714). Rezepturen oder einzelne Bestandteile der Medikamente sind kaum überliefert. Aber auch ohne diese Details erweisen sich die Handschriften als Fundgrube.
Gabriele Wacker: "Wir erfahren zum Beispiel etwas über die Beziehungen zwischen Arzt, Apotheker und Fürst. Wer fordert welches Heilmittel in der Apotheke an, die übrigens keine öffentliche Apotheke war? Wer bekommt von welchem Arzt was verschrieben? Kann man von den Medikamenten auf Krankheiten und Leiden der Herzöge und ihrer Angehörigen schließen? Lässt sich an der Reihenfolge der verschriebenen Medikamente eine Behandlungsmethode erkennen?".
Noch steckt die Wissenschaftlerin in der Datenerfassung: Welche Personen werden genannt, welche Arzneien verschrieben? Kräuter für ein Fußbad, Magenbalsam und Rückensalbe gehören ebenso dazu wie Ausleitungssäfte und Klistiere für die innere Reinigung des Körpers und Pillen gegen "schwere Not", was auf einen Schlaganfall hindeutet. "Kräuter wurden in Leinenbeutelchen - vergleichbar mit einem Teebeutel, nur größer - gefüllt, die der Patient in Wasser oder Wein eintauchte und sich so einen Arzneitrank bereitet hat", erläutert die Pharmaziehistorikerin.
"Droge" war damals die gängige Bezeichnung für arzneilich wirksame Substanzen pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Herkunft. Mit Droog (deutsch: trocken) waren zu Zeiten der niederländischen Kolonialherrschaft getrocknete Pflanzen oder Pflanzenteile und -produkte gemeint. Mit diesen Drogen kurierte man nicht nur die herzoglichen Familien, sondern auch Tiere - in erster Linie die Leib- und Kutschpferde am Hofe. Gegen Brüche und Hauterkrankungen, für die Pflege des Fells und die Heilung von Gelenken orderten die Stallmeister Tierfette, Olivenöl und Wachs, Eibischsalbe, Bockshornklee und vieles mehr. "Die Stallmeister waren äußerst kundig in der Pferdearznei", so der erste Eindruck der Wissenschaftlerin.
Um das Schlucken der bitteren Medizin zu erleichtern, wurden viele Arzneien auf Zucker- und Honigbasis hergestellt. Viele wohlschmeckenden Kräuter und Gewürzpflanzen, die heilsame Wirkungen entfalten, stammen aus der arabischen und asiatischen Welt: Koriander und Ingwer zum Beispiel. "Ingwer stand damals hoch im Kurs", sagt Gabriele Wacker. Die Wolfenbütteler Hofapotheker verarbeiteten die heilsame Knolle sogar zu Konfekt - wie auch Anis, Mandeln und Zitronenschale. "Konfekte waren nicht einfach nur Nascherei, sondern wurden aus gesundheitlichen Gründen gegessen. Marzipan beispielsweise galt als Kraftbrot", erläutert Wacker. So wurde etwa zu Weihnachten oder wenn sich am Hofe besonderer Besuch ankündigte, "confect mixtae et coloratae", also gemischtes und gefärbtes Konfekt, in der Apotheke bestellt.
Apropos Besuch: Um die Luft in den Gemächern vor Ankunft der Gäste zu reinigen, wurden Räucherpulver aus der Apotheke angezündet. So verbreitete sich mit Hilfe der in der Harzen und Hölzern enthaltenen ätherischen Öle schnell ein intensiver Duft. ""In Zeiten der Pest", erzählt die Wissenschaftlerin, "hat man Schlossräume und Hofstuben mit Rauch gereinigt, was wir heute als Desinfektion kennen - damals nach der Devise: Was stark riecht, hat eine starke Wirkung." Die Wolfenbütteler Hofapotheker mischten beispielsweise aus Weihrauch, Bernstein, Moschus, Ambra, Mastix und Storax begehrte Raumdüfte.
Doch damit nicht genug: Die Kirche wurde mit Oblaten versorgt, die Hofkanzlei erhielt aus der Apotheke Tinte sowie selbst gefärbtes Siegelwachs - garantiert ohne Risiken und Nebenwirkungen. (gef)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Anne Tilkorn
Institution: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Adresse: Lessingplatz 1 38304 Wolfenbüttel
Telefon: 05331/808-213
WWW: http://www.hab.de
E-Mail:
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