Fest im Sattel?
Sattelfestigkeit
ist eine der Grundeigenschaften von Restauratoren am Herzog Anton Ulrich-Museum.
Glosse
Als König Sigismund nach erfolgreichem Turnier seine Tafelrunde abschritt, lächelte er wohlgefällig. Alle Mitglieder des erst kürzlich auf 24 Mann aufgestockten Elferrats waren da. Die Kerntruppe des Drachenordens, im Augenblick mehr oder weniger zerbeult von Lanzenstößen, aber trinklustig und in prächtigen Kostümen. Doch irgendetwas fehlte! Wo waren die Prunksättel? Jene erlesenen, verzierten Reitsitze, auf welchen die Ritter nach dem Kampf noch eine Stadionrunde drehten. Da schließlich entdeckt wurde, dass auch sämtliche Stallburschen verschwunden waren, schien der Fall klar.
Ob sich die Sache überhaupt oder so ähnlich zugetragen hat, ist ungewiss, jedenfalls müssen es Stallburschen mit Weitblick gewesen sein. Diesen Eindruck gewinnt man unwillkürlich, steht man in der Abteilung Burg Dankwarderode des Herzog Anton Ulrich-Museums vor der Vitrine, die einen von weltweit sage und schreibe 22 erhaltenen Prunksätteln bewahrt. Dass man ihm die 570 Jahre nicht ansieht, dafür sorgt auch Restauratorin Ursel Gaßner, die u. a. mit thermografischen Verfahren seinen ursprünglichen Reichtum an Farbigkeit und Material nachweisen konnte.
Ins Reich der Fabel gehört dagegen die verbreitete Ansicht, die Wut der Ritter über die verlorenen Sättel habe letztlich zum Aussterben der allseits beliebten Drachen geführt.
(rei)
Fakten
Ausritt ins Spätmittelalter
Von welch internationalem Rang eine Institution wie das Herzog Anton Ulrich-Museum (HAUM) Braunschweig ist, merken Uneingeweihte immer dann, wenn es in einem Atemzug mit so bedeutenden Häusern wie dem Metropolitan Museum New York, dem Musée l'Armée in Paris oder dem Deutschen Historischen Museum Berlin genannt wird. Was die erwähnten und eine Reihe weiterer Museen über ihren Status hinaus verbindet, ist der Besitz einer Gruppe von 22 Prunksätteln, die in Form und Beschaffenheit vergleichbar sind. Ihre Herkunft ist nicht bis ins Einzelne geklärt, die Forschung bringt sie traditionell in Beziehung zum ungarischen Hof König Sigismunds (1368 - 1437). Die zahlreichen Drachendarstellungen auf den Sätteln lassen ferner den Schluss zu, dass sie in den Umkreis des von Sigismund gegründeten Ritterordens gehören, dem so genannten Drachenorden. Unklar ist, ob die Prunksättel im Anschluss an Turniere tatsächlich als Reitsitze zum Einsatz kamen oder bloß als Schatzkammer-Stücke behandelt wurden. Der Sattel der Braunschweiger mittelalterlichen Sammlung des HAUM in der Burg Dankwarderode wird um das Jahr 1430 datiert. Außergewöhnlich an ihm ist, wie Restauratorin Ursel Gaßner erzählt, seine Oberfläche, die überwiegend mit Relief-Knochenplatten, Geweihplatten und Leder gestaltet ist. Seine Unterseite ist zudem mit weißer Birkenrinde komplett überzogen. Überragende Bedeutung für das Museum, erläutert Gaßner weiter, habe der Sattel, da er in einem Inventar von 1683 erwähnt wird und damit in diesem Bereich das am frühesten nachweisbare Kunstwerk der herzoglichen Sammlung ist. Die bei mikroskopischen und thermografischen Untersuchungen gefundenen Reste von leuchtenden roten, blauen und grünen Farbfassungen sowie Spuren von Gold lassen die einstige Pracht des Sattels erahnen. Darüber hinaus lädt die Inschrift eines Spruchbandes, als persönliche Devise gehalten - trev / yst selt / in der / weld - zum Phantasieren über seinen ursprünglichen Besitzer ein. (rei)
Kontaktinformationen
Name: | Ursel Gaßner |
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Institution: | Herzog Anton Ulrich-Museum |
Adresse: |
Museumstraße 1 38100 Braunschweig |
Telefon: | 0531/1225-0 |
WWW: | http://www.museum-braunschweig.de |