direkt zum Inhalt zur Hauptnavigation zur Bereichsnavigation
Und täglich grüßt die Wissenschaft
19.04.2007

Kostbare Drucke digitalisiert

Diese Seite empfehlen Empfehlen
Diese Seite ausdrucken Drucken
RSS Feed RSS Feed

Inkunabeln
sind Bücher aus den Anfängen des Buchdrucks (ca. 1450 bis 1500). Die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel besitzt rund 2 800 Ausgaben, etwa 10 Prozent des weltweiten Bestandes.

Glosse

Neulich im Copy-Shop. Vor mir auf dem Kopierer liegt ein Handbuch, Marke unhandlich. Es kostet mich mehrere Versuche, bis ich herausfinde, wo ich den Wälzer anlegen muss, damit die komplette Doppelseite als Kopie erscheint. Der letzte Versuch ist nur ein Teilerfolg. Die Wörter am Rande sind verzerrt. Schuld ist das Handbuch. In seinem festen Einband lässt es sich nicht auf 180 Grad öffnen. Die Seiten liegen auf der Glasplatte nicht exakt auf. Ich drücke beherzt auf den Buchrücken. Geht da noch was? Nein, ein Knacken des Einbandes signalisiert mir: Hier ist eine Schmerzgrenze erreicht.
Buchliebhabern wie Dr. Thomas Stäcker graust es angesichts solcher Gewalteinwirkung. Das Problem indes kennt der Leiter der Abteilung Alte Drucke, Digitalisierung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB). Um Inkunabeln, kostbare Bände aus den Anfängen des Buchdrucks, kopieren zu können, haben Stäcker und sein Team ein außergewöhnliches Gerät ertüftelt. Das Buch liegt - Rücken nach unten, Schriftseiten nach oben - auf einer V-förmigen Unterlage, die einen Buch schonenden Öffnungswinkel von 45 Grad hat. Per Hand wird von oben eine Vorrichtung mit einem Spiegel in die aufgeschlagene Seite geschoben. Eine Digitalkamera fotografiert die gespiegelte Seite, ein Computer rechnet und auf dem Bildschirm erscheint gestochen scharf die kolorierte Seite des Wiegedrucks aus dem 15. Jahrhundert. "Knapp 700 Inkunabeln", so Stäcker, "haben wir so digitalisiert, katalogisiert, archiviert und über Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht." (gef)



Fakten

Handschriften und Drucke digitalisiert

Mehr als 3 500 Titel aus dem Bestand der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB) liegen in digitaler Form vor und sind frei über das Internet (http://www.hab.de/bibliothek/wdb/) verfügbar. Die kostbaren Handschriften und wertvollen Drucke können herangezoomt, umgeblättert und gelesen werden - vorausgesetzt man kann Latein.
In der Digitalisierungs- und Fotowerkwerkstatt der HAB werden täglich Buchseiten mit der Digitalkamera aufgenommen. Ein umfangreiches Projekt war die Digitalisierung von rund 700 Inkunabeln, kostbaren Bänden aus den Anfängen des Buchdrucks (15. Jahrhundert). "Die HAB besitzt rund 2 800 Ausgaben, etwa 10 Prozent des weltweiten Bestandes", sagt Dr. Thomas Stäcker, Leiter der Abteilung Alte Drucke, Digitalisierung der HAB.
Um die Seiten dieser Drucke kopieren zu können, haben Stäcker und sein Team ein außergewöhnliches Gerät ertüftelt. Das Buch liegt - Rücken nach unten, Schriftseiten nach oben - auf einer V-förmigen Unterlage, die einen Buch schonenden Öffnungswinkel von 45 Grad hat. Per Hand wird von oben eine Vorrichtung mit einem Spiegel in die aufgeschlagene Seite geschoben. Eine über der Vorrichtung platzierte Digitalkamera fotografiert die gespiegelte Seite, ein Computer rechnet und auf dem Bildschirm erscheint gestochen scharf die Seite des Wiegedrucks aus dem 15. Jahrhundert.
Die Bücher in digitaler Form können von überall auf der Welt über das Internet angesehen werden, ohne dass das Blättern den Originalen Schaden zufügt. "Bestandschonende Nutzung" heißt das im Fachjargon. "Bevor wir die Seiten eines Buches fotografieren, begutachtet ein Restaurator, ob der Band verfilmungsfähig ist", erläutert Stäcker. Gibt es defekte Seiten, die beim Umblättern reißen könnten? In welchem Zustand ist der Buchrücken? Wie eng ist der Falz?
Trotz der modernen Technik ist der Kopierprozess arbeitsintensiv. Denn das Umblättern Seite für Seite ist nach wie vor Handarbeit. Das gilt auch für ein neues Gerät, das in der Handhabung dem oben beschriebenen Gerät gleicht. Nur beträgt der Öffnungswinkel des neuen Apparates 90 Grad, und bei einer aufgeschlagenen Doppelseite können beide Seiten fotografiert werden, da die Vorrichtung über zwei Kameras verfügt. "Wir schaffen hiermit den Spagat zwischen Buch schonender Digitalisierung und Effizienz", sagt Stäcker mit Blick auf das nächste Mammutprojekt. Ab Mai sollen 2 000 Bücher mit insgesamt 720 000 Seiten digitalisiert werden. Um das zu stemmen, stellt die HAB fünf neue Mitarbeiter ein. "Eine Herausforderung ist die Archivierung", erklärt er. "Unser digitales Archiv umfasst 20 Terabyte. Mit dem neuen Projekt verdoppeln wir dieses Volumen."
Die Digitalisierung der alten Buchbestände sei nicht nur sinnvoll, um die Originale zu schonen und der Öffentlichkeit den Zugang zum Kulturgut zu erleichtern. "Die Digitalisierung ist erforderlich, da die Forschung ins Internet wechselt", ist seine Erfahrung. Die Wissenschaftler recherchieren, publizieren und kommunizieren im weltweiten Web. Was in technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen bereits Forschungsalltag ist, erfasst jetzt auch verstärkt die Geisteswissenschaften. "Mit der Digitalisierung optimieren wir die Verfügbarkeit unseres Bestandes für die Wissenschaftler. Die Digitalisierung weckt zudem Interesse und Aufmerksamkeit", erläutert Stäcker. "Einige Wissenschaftler entdecken etwas aus unserem Bestand im Internet und wollen es dann im Original sehen." (gef)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Anne Tilkorn (Pressesprecherin)
Institution: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Adresse: Lessingplatz 1 38304 Wolfenbüttel
Telefon: 05331/808-213
WWW: http://www.hab.de
E-Mail:
© Stadt Braunschweig | Impressum