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Und täglich grüßt die Wissenschaft
30.04.2007

Fenster mit Sonnenbrillen und schwarzer Magie

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oder 10-9 Meter oder einen bis mehrere Nanometer dick ist die Glasbeschichtung, die Fenstern am IST zu Sonnenschutz verhilft.

Glosse

"O sole mio" singt der Italiener vor Freude, wenn die Sonne vom Himmel strahlt. Es sei denn, er schwitzt gerade im Büro vor sich hin, weil der schöne Schein genau auf seinen Arbeitsplatz knallt und die Architekten des schicken Gebäudes nicht an den Sonnenschutz gedacht haben. Das muss nicht sein, dachten sich findige Forscher: Wenn die Fenster schon keine Schiebermütze haben, die Schatten wirft, könnte man ihnen ja Sonnenbrillen verpassen, die die Strahlen nicht hindurchlassen. Und so bekommen Glasscheiben - vor allem an schicken Büroneubauten - schon seit einiger Zeit hauchdünne Beschichtungen aus Silberverbindungen. Die durchsichtige Schicht, nur wenige Nanometer dick, lässt das kurzwellige Licht hindurch und hält die langwellige Wärmestrahlung draußen. Doch die Silberschicht gleichmäßig hinzubekommen, war bisher schwarze Magie, sagen die Forscher des Braunschweiger Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik. Nur ein Prozent Abweichung sind erlaubt - das klappte nur dank viel Erfahrung oder lieferte viel Ausschuss.
Sie haben das Verfahren entzaubert: Neuerdings kann eine Simulationssoftware namens DOGMA die komplizierten Vorgänge der Plasmabeschichtung genau vorhersagen. So sind die Prozesse jetzt berechenbar, und für die Hersteller - und ihre Kostenkalkulation - geht die Sonne auf...
(ds)



Fakten

Die so genannte Sputter-Technik "kleckst" einzelne Silberatome großtechnisch auf Glasflächen - binnen 45 Sekunden lassen sich 20 Quadratmeter große Scheiben beschichten. Doch auch Fotofilter oder fingernagelgroße Spezialfilter für die optische Signalübertragung werden mit hauchdünnen Schichten "besputtert": In einer Vakuumkammer schießen energiereiche Ionen eines Plasmas einzelne Atome aus einer Silberplatte. Eine Glasscheibe in Flugrichtung fängt sie auf und kommt so zu ihrer Atom für Atom wachsenden Beschichtung. Ganz wichtig für die korrekte Filterwirkung ist die exakte Dicke der Schicht, erklärt Dr. Bernd Szyszka vom Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig: "Bei traditionellen Wärmedämmschichten sind Unterschiede in der Schichtdicke von bis zu fünf Prozent kein Problem, doch bei den Sonnenschutzbeschichtungen ist maximal ein Prozent Toleranz zulässig." Das bedeutete bisher viel Ausschuss oder erforderte viel praktische Erfahrung, ohne genau die Theorie verstanden zu haben. War man nach vielen Versuchsreihen zu einem zuverlässigen Verfahren gelangt, blieb man möglichst bei den einmal gewählten Einflussgrößen. Kein wirklich flexibles Verfahren für die Industrie, die ihre Produkte immer wieder neuen Anforderungen anpassen will. Das kann sie jetzt, seit Szyszkas Team die Simulationssoftware DOGMA entwickelt hat. Das Programm bildet exakt die komplexen Abläufe in der Vakuumkammer ab und berechnet somit das Ergebnis der Plasmabeschichtung. Dank DOGMA ist das Auftragen von Dünnschichtsystemen jetzt exakt vorherzusagen, flexible Veränderungen der verschiedensten Parameter sind jetzt erlaubt. Ein großes Plus für Anlagenbauer, Schichtentwickler und Hersteller, die die Prozesse schon im Planungsstadium, aber auch noch während der Produktion optimieren können.
(ds)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Bernd Szyszka
Institution: Fraunhofer-Institut für Schicht und Oberflächentechnik (IST)
Adresse: Bienroder Weg 54E
38108 Braunschweig
Telefon: 0531/2155-641
E-Mail:
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