Zug um Zug
Zugbeeinflussung
ist eine Sicherungsanlage, mit der Daten über die zulässige Fahrweise vom Gleis zum Zug übertragen werden, um beim Abweichen von der erlaubten Fahrweise Schutzreaktionen, zum Beispiel eine Zwangsbremsung, auszulösen.
Glosse
Braunschweig wird von Hannover ferngesteuert! Ja, da stellen sich uns Braunschweigern doch die Nackenhaare auf. Nur leider: Es ist wahr, zumindest was den Bahnverkehr betrifft. Denn im Zuge der Zentralisierung der Betriebsführung verlagerte die Bahn 2003 das Braunschweiger Stellwerk in die neu eingerichtete Betriebzentrale Hannover. Von dort aus nun werden die Weichen und Signale gestellt. Und das bei der Historie!
Schließlich waren es Kaufleute aus der Löwenstadt, die 1825 der Regierung in Hannover den Eisenbahnbau von Braunschweig und Hannover in die Hansestadt Hamburg vorschlugen. Großer Protest! Händler und Handwerker fürchteten wirtschaftliche Einbußen. Das Projekt kam in Hannover aufs Abstellgleis - vorerst. Die Braunschweiger dagegen machten mobil und nahmen am 1. Dezember 1838 die erste deutsche Staatsbahn nach Wolfenbüttel in Betrieb.
Das alles ist Geschichte. Doch halt! Ein Mammutprojekt wie die Zentralisierung verlangt nach Expertenwissen - und das ist im Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrssicherung (IfEV) der TU Braunschweig zu finden: Prof. Dr. Jörn Pachl und sein Team sind gefragt, wenn es zum Beispiel um Risiko- und Sicherheitsanalysen geht. Denn die Einrichtung von Betriebszentralen setzt einen hohen Automatisierungsgrad voraus und dies macht neue Sicherheitsbetrachtungen erforderlich. Und da Kenntnisse über Betriebsverfahren und -vorschriften zu den Kernkompetenzen des IfEV gehören, kommt Braunschweig trotz Zentralisierung doch noch zum Zuge.
(gef)
Fakten
Sicherheit im Eisenbahnbetrieb
Mehr als 150 Jahre wurde der Eisenbahnbetrieb in Deutschland durch örtliche Stellwerke entlang der Strecken gesteuert. Ende der 1990er Jahre begann die Deutsche Bahn, viele dieser Stellwerke in sieben Betriebszentralen zusammenzufassen: Berlin, Duisburg, Frankfurt am Main, Hannover, Karlsruhe, Leipzig und München. Von dort werden weite Teile des deutschen Schienenverkehrsnetzes gesteuert. Zahlreiche Zugbewegungen und Gleisbelegungen werden zentral abgefragt, angezeigt und gesichert.
Die Einrichtung solcher Betriebszentralen setzt einen hohen Automatisierungsgrad voraus und dieser wiederum macht neue Sicherheitsbetrachtungen erforderlich. Spezialisten auf dem Gebiet der Risiko- und Sicherheitsanalysen für den Bahnbetrieb sind Prof. Dr.-Ing. Jörn Pachl und sein Team vom Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrssicherung (IfEV) der Technischen Universität (TU) Braunschweig.
"Risiko- und Sicherheitsanalysen sind in der Regel mit hohem Aufwand verbunden", erläutert Pachl. "Denn um die im Falle eines Systemversagens eintretenden Unfallfolgen zu beschreiben, müssen sehr detaillierte Betrachtungen nicht nur über das planmäßige Funktionieren, sondern auch über das ungewollte Versagen des Systems angestellt werden."
Ein einfaches Beispiel: Mit dem Einsatz von Achszählsystemen lässt sich feststellen, ob ein Gleisabschnitt von einem Zug belegt oder frei ist. Fehlzählungen von Achszählern können dazu führen, dass ein freier Gleisabschnitt fälschlich als belegt gemeldet wird. Die Folge sind in diesem Fall - zum Glück - unkritische Betriebsbehinderungen. Kritisch dagegen wäre der Fall, dass ein fälschlich als frei gemeldeter Gleisabschnitt doch noch von einem Zug belegt ist und ein nächster Zug mit voller Geschwindigkeit in diesen Abschnitt fährt. Hier gilt es nun zu berechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Achszähler ein besetztes Gleis nicht erkennt und mit welcher Wahrscheinlichkeit sich diese Gefährdung anschließend zu einem Unfall entwickelt.
In ihren Sicherheitsanalysen haben die Experten vom IfEV neben technischen Fehlern auch menschliches Versagen zu berücksichtigen, denn bei Ausfällen der Technik muss häufig der Mensch als so genannte "Rückfallebene" einspringen, da der Betrieb weitergehen muss. Und nun kann aus einer bis dahin unkritischen Betriebsbehinderung doch eine Gefährdung entstehen - wenn nämlich der Mensch irrt und einen besetzten Abschnitt versehentlich frei meldet. Deshalb interessiert nicht nur die Wahrscheinlichkeit, mit der die Technik ausfällt, sondern auch jene, mit der der Mensch anschließend einen Fehler begeht.
Das Beispiel macht deutlich: Nur mit umfangreichen Kenntnissen über Betriebsverfahren und -vorschriften, die zu den Kernkompetenzen des IfEV gehören, lassen sich solche fundierten Analysen überhaupt erstellen.
Über das IfEV: Das Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrssicherung der TU Braunschweig setzt seine Forschungsschwerpunkte insbesondere in den Bereichen des Eisenbahnbetriebes und der Eisenbahnsicherungstechnik. Beide Bereiche gehören zum Kern des Systems Eisenbahn und besitzen Schlüsselfunktionen bei allen Fragen der Sicherheit, der Betriebsdurchführung und der Leistungsfähigkeit. (gef)
Kontaktinformationen
Name: | Prof. Dr.-Ing. Jörn Pachl |
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Institution: | Technische Universität Braunschweig, Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrssicherung |
Adresse: |
Pockelsstraße 7 38106 Brausnchweig |
Telefon: | 0531/391-3380 |
Fax: | 0531/391-5955 |
WWW: | http://www.tu-braunschweig.de/ifev |
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