Nichts für Streithähne
Irenisch
(v. griechisch eirene, "Friede") bedeutet friedliebend und versöhnlich. Menschen mit diesen Eigenschaften werden auch als Ireniker bezeichnet. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)
Glosse
Rabies theologorum, die Streitsucht der Theologen, führte mitunter dazu, dass Geistliche als Gesprächspartner nicht gerade willkommen waren. In der Fruchtbringenden Gesellschaft, 1617 zur Förderung der Muttersprache und einer anspruchsvollen Kultur in Deutschland gegründet, distanzierte man sich sogar ausdrücklich von ihnen. Streithähne hatten dort nichts verloren. Ein Theologe hat es trotzdem geschafft und wurde aufgenommen: Der Pastor und Dichter Johann Rist (1607-1667) aus dem schleswig-holsteinischen Wedel. Er galt als irenisch, also friedliebend, und gründete zudem eine eigene Sprach- und Literaturgesellschaft, den "Elbschwanenorden". Beste Voraussetzungen also, um fruchtbringerisch zu wirken.
Sprachkunst und Grammatik werden in der Korrespondenz besagter Gesellschaft rege diskutiert. Zudem zeugen die Briefe von einem innigen Friedenswunsch. Im Land wüteten der 30jährige Krieg, Hungersnöte und Pest. Die Verfasser erörtern in ihren Briefen die politische Lage und ermöglichen so kulturgeschichtliche Einblicke, die auch das Herz des Historikers höher schlagen lassen. Dass die Friedens- und andere Dokumente bald ediert und gebunden vorliegen, ist Gabriele Ball, Klaus Conermann und Andreas Herz zu verdanken. Die Wissenschaftler arbeiten in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel im Forschungs- und Editionsprojekt Fruchtbringende Gesellschaft. Aktueller Forschungsschwerpunkt: die Korrespondenzen der Jahre 1639 und 1640. Zugegeben, kein leichter Lesestoff, aber garantiert irenisch.
(gef)
Fakten
Friedensdokumente aus der Zeit des 30jährigen Kriegs
Das Forschungs- und Editionsprojekt Fruchtbringende Gesellschaft arbeitet am fünften Band der "Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen: Die Zeit Fürst Ludwigs von Anhalt-Köthen 1617-1650". Ediert werden die Korrespondenzen aus den Jahren 1639 und 1640, als im Land der 30jährige Krieg (1618-1648) wütete.
Zur Historie: Im Anschluss an den Prager Frieden wäre ein Universalfrieden möglich gewesen, wenn die Probleme der Religionsfreiheit, einer allgemeinen Amnestie und einer Kompensationsregelung für Schweden gelöst worden wären. Stattdessen begann der Krieg mit dem offenen Kriegseintritt Frankreichs 1635, seinem stabilen Bündnis mit Schweden 1638 und den gescheiterten Friedenssondierungen wieder von vorn. Damit verlor er in den Augen der zivilen Opfer wie auch vieler Offiziere und Fürsten jede Legitimation.
"Ein neuer protestantischer Reichs- und Kulturpatriotismus spricht sich unverstellt in den Korrespondenzen der Fruchtbringenden Gesellschaft aus. Der Friedenswunsch sucht nach friedensstiftenden Ideen und Leitbildern jenseits der konfessionellen Wahrheitsansprüche und findet sie im mythologisch-historischen Rückgriff auf Tugenden wie dem alten deutschen Vertrauen und in der Muttersprache", erläutert Projektleiter Klaus Conermann. Zusammen mit den Wissenschaftlern Gabriele Ball und Andreas Herz arbeitet er im Forschungs- und Editionsprojekt Die deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts: Fruchtbringende Gesellschaft, das als Vorhaben der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig geführt wird. Die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB) ist in diesem Projekt Kooperationspartnerin.
"Ein zentrales und faszinierendes Dokument fruchtbringerischen Wirkens ist die mehrfach aufgelegte Friedensrede Diederichs von dem Werder, auch Der Vielgekörnte genannt. Die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft gaben sich sprechende Namen", erklärt Gabriele Ball. Seinem Sohn Paris ("Der Friedfertige"), der die Friedensrede "in Gegenwart vieler Fürsten, Fürstinnen und Fräulein" vortrug, hätte sie gleichsam als Eintrittsbillet in die Sozietät gedient. Die Druckgeschichte der Friedensrede, so die Wissenschaftlerin, spiegele nicht nur das Netzwerk der Akademie wider, sondern bringe auch die tiefe irenische, also friedliebende, Überzeugung des inneren Kreises der Fruchtbringenden Gesellschaft zum Ausdruck.
"Weitere Friedensdichtungen dieser Zeit, zum Beispiel von Justus Georg Schottelius und Christian Gueintz, ergänzen das Bild", sagt Andreas Herz, "Sie werfen die Frage nach der Korrelation von Friedenswunsch und fruchtbringerischer Spracharbeit auf und halten übergreifende kulturgeschichtliche Einblicke bereit." (gef)
Kontaktinformationen
Name: | Dr. Andreas Herz |
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Institution: | Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Arbeitsstelle "Fruchtbringende Gesellschaft" |
Adresse: |
Postfach 1364
38299 Wolfenbüttel |
Telefon: | 05331/808245 |
WWW: | http://www.hab.de |
E-Mail: |