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Und täglich grüßt die Wissenschaft
14.07.2007

Strom(er)zählung

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Richtige Stromrechnungen
erfordern richtige Messungen. Die PTB schafft mit Typprüfungen für Stromzähler die Voraussetzungen dafür.

Glosse

1871, Newark, New Jersey. Mary Stilwell, ein bildhübsches 16jähriges Mädchen aus gutem Hause, arbeitete in der kleinen Fabrik "Edison & Unger" als Locherin für Telegrafenstreifen. Thomas Alva, Eigentümer der Fabrik und bereits zu bedeutendem Wohlstand gelangt, hatte sich über beide Ohren in sie verliebt. Immer wieder nahm er sich vor, sie anzusprechen, immer wieder verließ ihn der Mut. Heute nun, musste es sein. Er trat nah vor sie hin und fragte: "Kleines Mädchen, wollen Sie meine Frau werden? Überlegen Sie es in Ruhe. Lassen Sie es mich wissen, sobald es Ihnen angenehm ist. Dienstag z.B.. Nächsten Dienstag meine ich".

Ja, so war`s immer schon mit den großen Genies. Etwas kauzig vielleicht, aber liebenswert, und vor allem ständig unter Strom. Apropos Strom. Ob obige Anekdote, die Edisons Biographen über ihn und seine erste Frau zu erzählen wissen, wahr oder nur hübsch erfunden ist, das muss wohl für immer im Dunkeln bleiben. Bewiesen ist dagegen seine Urheberschaft an unzähligen, den elektrischen Strom nutzenden Erfindungen. Die Geschichte mit der Glühlampe kennt jeder. Beim Telefon-Mikrofon sind es schon deutlich weniger. Dass wir auch den Stromzähler Edison verdanken, ja da ist das Staunen dann allerdings schon fast allgemein. Überhaupt ist die Unkenntnis zum Thema Stromzähler heute leider ebenso groß wie verbreitet. Immerhin tun doch rund 40 Millionen dieser Messgeräte in deutschen Haushalten und Betrieben brav tagein tagaus ihren Dienst. Ja und diese Zähler sind keine hässlichen schwarzen Kästen. Das sind grundehrliche, ausdauernde und vor allem zuverlässige Kameraden. Sie sind von der PTB zugelassen und von staatlich anerkannten Prüfstellen amtlich geeicht.Was sie zeigen ist wahrer Wert. Ok, manchmal ein paar Prozent zu viel oder zu wenig. Das Gesetz erlaubt ihnen das. Nobody is perfect. Ein bisschen Unvollkommenheit macht doch eher sympathisch, so wie Mary und Alva. Oder? (kahm)



Fakten

Gegen Ende des 19ten Jahrhunderts erlebte die Elektroindustrie in Deutschland einen atemberaubenden Aufschwung. Der Handel mit elektrischer Energie erfolgte dabei ohne Einsatz neutral geprüfter Messgeräte. Die Stromkunden waren der Gutwilligkeit der Verkäufer ausgeliefert. Eine Konstellation mit besten Voraussetzungen für ein wirtschaftliches Phänomen, das die Ökonomen eingängig mit dem Begriff "Marktversagen" beschreiben. Die Regierung sah sich zum gesetzgeberischen Eingreifen gezwungen. So unterzeichnete also der Kaiser im Jahre 1898 das Gesetz "Betreffend die elektrische Maßeinheiten". Der Tenor: Die Verwendung standardisierter Einheiten für die beim Handel mit Elektrizität verwendeten Größen und die Pflicht für die Stromversorgungsunternehmen, im Sinne dieser Einheitenfestlegungen richtig messende Messgeräte für den Verkauf von Elektrizität zu verwenden. Dieses war ein gutes Gesetz. Davon zeugt, dass seine Grundidee bis in das derzeit geltende Eichgesetz und seine Ausführungsverordnungen erhalten geblieben ist. Entsprechend werden heute Elektrizitätszähler einer Typprüfung bei einer Zulassungsbehörde - z.B. der PTB - unterzogen. Außerdem muss jedes einzelne Exemplar einer Serienproduktion vor der Inbetriebnahme eine Stückprüfung in einer Prüfstelle über sich ergehen lassen. Freunde des Kraftfahrzeugs kennen eine vergleichbare Dualität beim Auto: Zulassung beim Kraftfahrt-Bundesamt, Stückprüfung bei TÜV oder DEKRA. Im Bereich der Elektrizitätszähler gibt es seit Ende 2006 in Folge europäischer Harmonisierung der Rechtsvorschriften allerdings auch Alternativen. Dabei kommen dann Methoden der vorbeugenden Qualitätskontrolle beim Zählerhersteller und statistische Prüfverfahren zur Anwendung. Diese junge Form der Gewährleistung richtig messender Zähler befindet sich in Deutschland allerdings noch in den Kinderschuhen.

Die Fehlergrenzen, die Elektrizitätszähler für den Haushalt bei der Inbetriebnahme einhalten müssen, liegen je nach Stärke des fließenden Stromes etwa in dem Bereich 2% - 4 %. Eine Ordnungswidrigkeit begeht ein Zählerwender erst dann, wenn er für die Abrechnung Zähler verwendet, bei denen die Überschreitung doppelt so großer Fehler festgestellt werden (so genannte "Verkehrsfehlergrenzen"). Die Fehler sind im Betrieb der Zähler manchmal positiv und manchmal negativ. Das Risiko falscher Messergebnisse ist also auf Verbraucher und auf Lieferant verteilt. Der Gesetzgeber akzeptiert diese manchem womöglich groß erscheinenden Messabweichungen als Ergebnis einer Güterabwägung: Einerseits die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben z.B. eines Vier-Personen-Haushaltes von etwa 600 Euro und das Risiko einige Zehn Euro im Jahr zuviel oder zu wenig zu zahlen. Andererseits die Kosten für genauere Zähler und die zugehörige aufwendigere Infrastruktur, die erforderlich ist, um die höhere Genauigkeit dauerhaft aufrecht erhalten zu können. Das gehorcht dem ökonomischen Grundsatz vom Vorrang der optimalen Genauigkeit gegenüber der maximalen Genauigkeit. Eine im Übrigen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen Ländern Europas zum Gesetz gemachte Philosophie. Womit dann glücklich auch die Brücke zum heurigen Jahr der Geisteswissenschaften geschlagen wäre. (kahm)



Kontaktinformationen

Name: Dr. Martin Kahmann
Institution: Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Adresse: Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Telefon: 0531/592-2300
Fax: 0531/592-2304
WWW: http://www.ptb.de
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