direkt zum Inhalt zur Hauptnavigation zur Bereichsnavigation
Und täglich grüßt die Wissenschaft
24.07.2007

Urbanes Déjà-vu

Diese Seite empfehlen Empfehlen
Diese Seite ausdrucken Drucken
RSS Feed RSS Feed

90 Prozent
unserer Umwelt in Stadt und Land besteht aus freiem Raum. Im TU-Institut für Städtebau und Landschaftsplanung werden solche Freiräume zu unverwechselbaren Orten.

Glosse

Vom Bus auf den Marktplatz ausgespült, kann ein Reisender auf Städtetour von verwirrenden urbanen Déjà-vus ereilt werden: Denn täglich grüßt die gleiche Innenstadt - ist der Busfahrer in einer Schleife verfangen? Die Drogerie-Discounter, der Handy-Shop, der Billig-Optiker, die Fastfood-Ketten, die drei obligatorischen Fashion-Shops; und dann die austauschbaren Vorstadtsiedlungen und Gewerbeinseln . immer mehr Städte kranken an Identitätsverlust, werden gesichtslos. Mitunter geraten dabei faszinierende Bauwerke aus dem Blick - aber auch die vielen Freiräume, die das Bild und die Atmosphäre einer Stadt prägen. In ihrer Vorlesung am Institut für Städtebau und Landschaftsplanung der Technischen Universität Braunschweig befasst sich Gabriele Kiefer mit der landschaftsarchitektonischen Gestaltung solcher Freiräume. Sie können Gegenwelten schaffen, die das Wesentliche eines Ortes herausarbeiten. Klar, unverwechselbar, reduziert - das sind einige ihrer Kriterien für die Erschaffung solcher Orte. Ein solcher von Kiefer gestalteter "Freiraum für den Kopf" entsteht demnächst auf dem jetzt noch brachliegenden Vorplatz des Berliner Hauptbahnhofs. Ein landschaftsarchitektonischer Baustein, um aus einem irritierenden urbanen Déjà-vu ein identifizierendes Erinnern werden zu lassen. (mba)



Fakten

Früher war eine Stadt ein klar abgrenzbares Gefüge: definiert von einer Stadtmauer, hinter der das Feld begann, das schließlich in die Wildnis mündete. Durch die zunehmende Verstädterung haben sich einstmals klare Grenzen zwischen Stadt und Land fast gänzlich verwischt. Und dennoch: Über 90 Prozent unserer Umwelt bestehen aus freiem Raum. Freiräume prägen das Bild und die Atmosphäre einer Stadt ebenso stark wie ihre Hochbauten und Museen.
Im Zuge der Schrumpfungsprozesse in manchen Städten entstehen viele hybride Räume, deren Nutzung und Gestalt keinen stadtplanerischen Absichten unterliegt. Vor allem in Vororten und Randgebieten der Stadt trifft man auf eine Mixtur aus Siedlungen, Gewerbeinseln, Tankstellen und Naturreservaten. Aber auch in Innenstädten verwischt die Grenze zwischen Gebäude und Außenraum, entwickeln sich hybride Räume unabhängig von Planung.
Überall dort kann Landschaft zum verbindenden Aspekt der gesamten Umwelt werden. "In Zeiten von schrumpfenden Städten und Mittelknappheit erweist sich die Landschaftsarchitektur zunehmend als Motor der Stadtentwicklung, ohne die kein architektonisches Projekt oder Wettbewerb mehr durchführbar ist", sagt Gabriele Kiefer, Professorin am Institut für Städtebau und Landschaftsplanung der Technischen Universität Braunschweig.
Da keine "unberührte poetische Natur" mehr "klaren Repräsentationsplätzen" gegenübersteht, verschwimmen auch die Disziplinen im Prozess der Stadtentwicklung. Landschaftsarchitektur befasst sich in der Regel kaum noch mit der Gestaltung von Gärten, sondern schafft ein Verzahnen mit der Natur auch über Gestein, Beton, Holz, Kunststoff und andere Materialien.
In ihrer aktuellen Vorlesung stellt Kiefer unterschiedliche Aspekte der Freiraumgestaltung vor und gibt anhand geplanter und gebauter Projekte einen Einblick in das Spektrum zeitgenössischer Landschaftsarchitektur. Ihr eigener Ansatz basiert darauf, die Identität eines Ortes zu stärken, "unverwechselbare Orte zu schaffen, die in sich reduziert sind, die Freiraum für den Kopf schaffen. Orte, an denen man zu sich kommt, geschlossen, klar erinnerbar."
Ihre eigenen Arbeiten zeugen von dieser Klarheit und Reduktion. Aktuell wird ein Entwurf umgesetzt, mit dem sie gemeinsam mit der amerikanischen Landschaftsarchitektin Martha Schwarz den Wettbewerb für die Gestaltung des südlichen Vorplatzes des Berliner Hauptbahnhofs gewann. Außerdem läuft derzeit in der Berliner Architekturgalerie AedesLand eine Ausstellung über eine von ihrem Büro gestaltete Züricher Parkanlage, deren zentrales Element eine mehr als 500 Meter lange Betonskulptur ist, in die ein See mit Sandstrand und Schilfgürtel integriert wurde. (mba)



Kontaktinformationen

Name: Prof. Gabriele G. Kiefer
Institution: Technische Universität Braunschweig, Institut für Städtebau und Landschaftsplanung
Adresse: Mühlenpfordtstraße 23
38106 Braunschweig
Telefon: 0531/391-2364
WWW: http://www.isl.bau.tu-bs.de
E-Mail:
© Stadt Braunschweig | Impressum