Wie ein Menschenfräulein
Nach Süden!
Über Braunschweig zum Brocken - Hans Christian Andersen reist 1831 per Postkutsche. Er kommt aus Dänemark und das Land, in dem die Kastanien blühen, liegt schon sehr weit südlich.
Glosse
Es war einmal eine kleine Brockenhexe. Die wünschte sich nichts sehnlicher, als wie ein wirkliches Menschenfräulein auf zwei Beinen durch ein echtes menschliches Leben zu geben, und hätte dafür nur zu gerne ihren Unterleib, der wie ein Besen geformt war, samt dem ganzen Hexenschicksal an den Nagel gehängt. Verliebt war sie und zwar in einen echten Welfenprinzen, der hoch zu Ross aus Braunschweig zum Harz geritten kam und als Wanderer von Stein zu Stein über die Bode hüpfte wie ein junger Gott, weil es an der Stelle keine Brücke gab.
Die Geschichte kommt Ihnen bekannt vor? Okay, ich habe ein bisschen bei Hans-Christian Andersens "Kleiner Meerjungfrau" geklaut. Aber dieses Märchen hätte eben auch wie oben geschildert ablaufen können. Obwohl, ich gebe zu, von Braunschweig aus nahm Hans-Christian Andersen 1831 nicht direkt das Pferd, sondern die Postkutsche, um nach Goslar zu gelangen. Aber über die Bode hüpfte er tatsächlich von Stein zu Stein, wie er in seinem Reisebericht schildert, vermutlich etwas animiert durch am Abend zuvor in heiterer Gesellschaft genossenes "Bergwasser". (Nun ja, ein Welfenprinz war der Däne auch nicht, aber Poet!) Erich Unglaub spürt an der Germanistischen Fakultät der Technischen Universität Braunschweig dieser Harzreise nach, die Andersen zum Märchenerzählen inspirierte. Für die zeitgenössischen Dänen war es übrigens eine beliebte Reise in den Süden!
(ehl)
Fakten
Mit Andersen im Harz
Klopstock war schon dort gewesen, Goethe sowieso, aber auch Alexander von Humboldt und Heinrich Heine: im Harz! Das Reisen um des Reisens willen war schon bekannt, man sah im Weg das Ziel, versuchte Eindrücke zu sammeln und in landschaftlichen Skizzen festzuhalten, als Hans-Christian Andersen 1831 von Dänemark aus in den Harz aufbricht. Seinerzeit eine beliebte Reise in den Süden, die schon besonders schien, wenn sich am Horizont plötzlich die ferne Gebirgszüge zeigten, während der Blick in Dänemark nur weite Ebene gewohnt war. Per Postkutsche reist der junge Poet, reichlich mit Ratschlägen versehen ("Reisepass und Kreditbrief festhalten", "am Blocksberg nicht schwindsüchtig laufen"). Das Motto von Andersens Reisebericht schließlich klingt heute unendlich platt: "Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen", - vor zweihundert Jahren beflügelt der Spruch jedoch noch die Reiselust. Und Andersen ist begierig darauf, Eindrücke zu sammeln: vom Wolkenzug über dem Massivgebirge bis zum regionalen Sagenschatz. Er führt Tagebuch, ist aber bereits entschlossen, auch bald einen Reisebericht zu publizieren. Der Braunschweiger Germanist Erich Unglaub weist nach, dass die romantisch empfundene Topographie des Harzes Andersen zu den Märchen inspirierte, die er in späteren Jahren in einer für Kinder verständlichen Erzählweise schrieb. (ehl)
Kontaktinformationen
Name: | Prof. Dr. Erich Unglaub |
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