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Und täglich grüßt die Wissenschaft
07.08.2007

Faulheit unter Lupe

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300 Millionen Euro -
könnten eingespart werden, wenn ein alter Mensch drei Monate später ins Pflegeheim käme. Das Institut für Medizinische Informatik der TU entwickelt Technologien, die möglichst lange die Gesundheit und ein selbst bestimmtes Leben erhalten sollen.

Glosse

Ich geb's zu: An manchen Tagen überfällt mich ein Hang zum Taoismus. "Müßiggang", so die These der chinesischen Philosophie "entspringt der Liebe zum Leben". Seit ich das weiß, arbeite ich daran - an der Liebe zum Leben. Vorzugsweise sonntags auf dem Sofa. Rund sechs Stunden zappe ich mich durch 32 Fernsehprogramme, Tee und Gebäck in Griffweite, und tue - nichts. Ein Volk, das 6000 Jahre alt ist kann sich nicht irren und außerdem - es sieht ja keiner. Oder doch?
Das Institut für Medizinische Informatik der TU hat einen Speicher entwickelt, der alle unsere täglichen Bewegungen aufzeichnet: Essen, Laufen, Sitzen, Liegen. Das hört sich ein bisschen nach "Big Brother" an, doch Professor Reinhold Haux, Leiter des Instituts, beruhigt: "Die Daten können für ein selbst bestimmtes Leben im Alter genutzt werden." Und so funktioniert's: Die gesammelten Informationen des Sensors werden durch einen Computer aufgezeichnet und ausgewertet. Geht der Träger langsamer als noch vor ein paar Monaten? Sitzt er mehr? Besteht Sturzgefahr? Ein Arzt könnte anhand der Aufzeichnung rechtzeitig eingreifen und ernstere Erkrankungen verhindern, so die Hoffnung der Wissenschaftler.
Noch ist das Projekt in der Versuchsphase, doch die Nützlichkeit beweist Reinhold Haux an einem einfachen Rechenbeispiel: "Wenn wir es schaffen, einen Umzug ins Pflegeheim um nur drei Monate hinauszuzögern, könnten in der Pflegeversicherung 300 Millionen Euro eingespart werden." (leu)



Fakten

"Big brother is watching you"

1700 Stunden trug Dr.-Ing. Klaus-Hendrik Wolf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinische Informatik, einen kleinen Sensor am Arm. Ganz gleich, ob er saß, lag, bügelte oder Auto fuhr - alle seine Bewegungsabläufe wurden akribisch aufgezeichnet. "Klar, ein bisschen seltsam ist das schon, wenn andere genau wissen, was ich morgens, mittags und abends getan habe" sagt der junge Wissenschaftler. Doch das Projekt des Instituts mit Namen LASS - Leben Angstfrei, Selbst bestimmt und Selbst gestaltet -, will vor allem helfen, nicht überwachen: Niemand außer der überwachten Person bekommt die Daten zu sehen.

"Wir wollen Vorsorge betreiben", sagt Professor Dr. Reinhold Haux über das durch die Stadt Braunschweig und das Deutsche Rote Kreuz unterstützte Projekt. Der Sensor soll später einmal über den Gesundheitszustand alter oder chronisch kranker Menschen wachen. Durch die langfristige Aufzeichnung aller Bewegungsmuster per Computer und deren gleichzeitige Auswertung kann ein Arzt auf einen Blick gesundheitliche Probleme feststellen und rechtzeitig eingreifen. Noch findet die Umsetzung lediglich im Labor statt. Im Institut an der Mühlenpfordtstraße wurde eine Modell-Wohnung aufgebaut. Dort tragen die Probanden nicht nur den Sensor, sondern werden auch noch durch diskret versteckte Kameras ins Auge genommen. Die täglichen Aktivitäts- und Ruhephasen lassen sich auf dem Fernsehbildschirm abrufen.

"Der Fortschritt in der Informatik, Medizin und Technik kann dazu dienen, Krankheiten vorzubeugen und frühzeitig zu erkennen", ist Professor Haux überzeugt. Nähme man die Bewegungsmuster mit anderen Daten wie Blutdruck und EKG zusammen, hätte auch ein chronisch kranker Mensch die Chance, möglichst lange in seinem eigenen Zuhause zu leben. Noch ist das Projekt in der Erprobungsphase, eine mögliche flächendeckende Umsetzung sieht der Institutsleiter für das Jahr 2013. (leu)



Kontaktinformationen

Name: Prof. Dr. Reinhold Haux
Institution: Technische Universität Braunschwieg, Institut für Medizinische Informatik
Adresse: Mühlenpfordtstraße 23
38106 Braunschweig
Telefon: 0531/391-9500
WWW: http://www.mi.tu-bs.de
E-Mail:
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