Versuch's mal mit Behaglichkeit
PPD-Index
(Predicted Percentage of Dissatisfied)
ist ein aus Messgrößen berechneter Wert zur Beurteilung und Darstellung von thermischer Behaglichkeit. Braunschweiger Forschern am Institut für Gebäude- und Solartechnik zeigt er den Prozentsatz an Schülern an, die mit den herrschenden klimatischen Verhältnissen im Klassenraum nicht zufrieden sind.
Glosse
Gähnen ist bekanntlich ja ansteckend. Den Beweis dafür findet man allmorgendlich in Klassenräumen, wo kindliche Maulsperren sich flugs von einer Reihe in die nächste übertragen. Oft ist aber nicht Langeweile schuld daran, dass Schülerköpfe nicht nur aufgrund der Arbeit ihrer grauen Zellen qualmen. Denn zum Schneiden dicke Luft, künstliches Licht, ein hoher Geräuschpegel und viel zu hohe CO2-Werte führen zu Müdigkeit und schlechter Konzentration. Aber wie bringt man übers Stoßlüften hinaus frischen Wind ins Klassenzimmer? Versuch's mal mit Behaglichkeit, mit "thermischer Behaglichkeit". Das jedenfalls macht das Institut für Gebäude- und Solartechnik an der Technischen Universität Braunschweig im Forschungsprojekt GASS (Ganzheitliche Sanierung von Schulen). Durch Spot-Monitoring wird das soeben angelaufene Projekt innerhalb der nächsten 15 Monate unter anderem das Raumklima in Klassenzimmern diverser Schulen messen und die Schüler nach ihrem eigenen Empfinden von Behaglichkeit befragen. Ziel ist es, mit individuell zugeschnittenen Sanierungskonzepten ein energieeffizientes Zusammenspiel von Temperatur, Feuchtigkeit, Lüftung, Lichtverhältnissen und Sonneneinstrahlung in Klassenräumen zu erreichen. Wenn die Schüler dann noch gähnen, liegt's einfach an zu wenig Schlaf - oder doch am Unterricht? (mba)
Fakten
Viele Schulen in Deutschland sind in älteren Gebäuden untergebracht, deren technische Ausstattung mit Heizung, Kühlung, Lüftung und Belichtung weder eine effiziente noch eine umweltgerechte Energieausnutzung zulassen. Neben zum Teil überhöhten Kosten für die Schulen hat das auch Auswirkungen auf die Lernatmosphäre der Schüler. Denn in vielen Klassenzimmern herrscht dicke Luft, vor allem verursacht durch zu hohe Kohlendioxidwerte (CO2). Das führt zu Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche - denkbar schlechte Voraussetzungen für erfolgreiches Lehren und Lernen. Hinzu kommen oft unzureichende Wärme-, Schall- und Lichtverhältnisse im Raum.
Das soeben bewilligte Forschungsprojekt GASS (Ganzheitliche Sanierung von Schulen), gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, schlägt "zwei Fliegen mit einer Klappe", indem es Energie-Effizienz mit Lernkomfort verbinden möchte. In Zusammenarbeit mit Projektpartnern aus Architektur, Pädagogik, Bau- und Raumakustik, Soziologie und Psychologie prüft das Institut für Gebäude- und Solartechnik an der Technischen Universität Braunschweig über 15 Monate hinweg die raumklimatischen und funktionalen Verhältnisse an Schulen. Denn in aktuellen Studien wurden Steigerungen der Lernfähigkeit um 15 Prozent durch eine Verbesserung des Raumklimas nachgewiesen.
Zur Untersuchung der Behaglichkeit führt das Institut an Schulen in Wolfsburg, Hildesheim und Hamburg Kurzzeitmessungen in Klassenzimmern und Aufenthaltsräumen durch. Beim so genannten Spot-Monitoring wird die Raumluft in Hinblick auf Feuchtigkeit, Temperatur, Bewegung und Qualität untersucht.
Parallel dazu werden Lehrer und Kinder nach ihrem subjektiven Empfinden von Behaglichkeit befragt. Ist es warm oder kalt, eher zu hell oder zu dunkel im Raum? Ist die Luft stickig oder frisch? "Dies kann je nach Lage des Klassenraums, den individuellen Sichtverhältnissen in der Tiefe des Raums und den subjektiven Empfindungen der Schüler sehr unterschiedlich ausfallen", sagt Projektleiter Lars Altendorf. Zur Verbesserung der visuellen Behaglichkeit sollen Tageslichtsimulationen beitragen. "Wenn man das Tageslicht optimal nutzt, kann man Kunstlicht beispielsweise ganz gezielt nur an bestimmten Stellen im Klassenraum einsetzen", erklärt Altendorf. Je nach Lage und Beschaffenheit der Räumlichkeiten können Sonnen- und Blendschutz oder Lichtlenksysteme zum Einsatz kommen.
Die gesamte bauliche und technische Substanz kommt auf den Prüfstand: Wände, Decken, Böden und Fassaden, Lüftungsanlagen und Heizsysteme. Wärmebrückenuntersuchungen durch Thermografieaufnahmen geben Aufschluss über Schwachstellen in der Fassade, rechnerische Simulationen zeigen Optimierungspotentiale auf. In der Folge können Lüftungsanlagen nachgerüstet oder erweitert werden, um einen stetigen Luftwechsel zu garantieren, oder auch intelligente Systeme der natürlichen Lüftung gewählt werden, wie zum Beispiel das Querlüften zwischen bestimmten Klassenzimmern.
Die Entwicklung und Umsetzung von nachhaltigen Sanierungskonzepten, auch unter Einsatz regenerativer Energien, soll in diesem integralen Ansatz die gestalterischen, funktionalen und raumklimatischen Lernbedingungen an Schulen und damit auch die Leistungsfähigkeit von Schülern und Lehrern nachweisbar verbessern. (mba)
Kontaktinformationen
Name: | Dipl.-Ing. Lars Altendorf |
---|---|
Institution: | Technische Universität Braunschweig, Institut für Gebäude- und Solartechnik |
Adresse: |
Mühlenpfordtstraße 23 38106 Braunschweig |
Telefon: | 0531/391-3594 |
WWW: | http://www.igs.bau.tu-bs.de |
E-Mail: |