Raumplanung mit den Ohren
Auralisation
ist die "Hörbarmachung" von akustischen Simulationen. Im Fachbereich Architektur der TU Braunschweig nutzt man sie für präzise akustische Bau- und Raumplanung.
Glosse
Ist man auf dem Weg zum Kennelbad ob der Hitze zu mundfaul, könnte man was verpassen: Ein Braunschweiger Refugium der griechischen Nymphe Echo. Sie, die durch Bestrafung einer eifersüchtigen Frau nur noch letzte Worte nachplappern kann, scheint sich als Klangwesen unter der Eisenbahnbrücke versteinert zu haben. Wie man hinaufruft, so schallt's herunter. Unter Brücken ein durchaus interessantes Klangerlebnis, innerhalb von Räumen in der Regel ungewollt. Schon mal ein Bauwerk mit den Ohren geplant? "Auralisation" heißt ein Verfahren, mit dem Architekten durch akustische Simulationsprogramme bereits im Planungsstadium in einen Raum hineinhören können. Bei manchen Gebäuden hat das Priorität. Wenn Echo, zu starker Nachhall und Außengeräusche schon in gewöhnlichen Räumlichkeiten unerwünscht sind, so erst recht in solchen mit besonderen akustischen Ansprüchen, wie beispielsweise Theater, Philharmonie und Kirchen. Mit Auralisation und anderen Computersimulationen arbeiten Hans Goydke, Honorarprofessor für Akustik im Fachbereich Architektur der Technischen Universität Braunschweig, und seine Studenten unter anderem daran, die Akustik im geplanten "Studierenden-Service-Center" zu optimieren. Denn hierbei kann's auch um Vertrauliches gehen. Und da will man ja nicht vom Nebenraum aus belauscht oder gestört werden. Echo jedenfalls muss draußen bleiben. (mba)
Fakten
Schall begegnet uns im Alltag in zahlreichen Facetten. Er ermöglicht überhaupt erst Kommunikation und musikalische Klangerlebnisse, ist aber auch verantwortlich für Lärm, Hall und Echos. In der Bauplanung falsch berechnet, kann er sich negativ insbesondere in Bauwerken und Räumen auswirken, die von ihrer Akustik leben, zum Beispiel in der Philharmonie, im Theater, in Kirchen, aber auch in Klassenräumen und auf Bahnhöfen.
Bau- und raumakustische Untersuchungen können den Schall für architektonische Planungen berechenbar machen. Im Fachbereich Architektur der Technischen Universität Braunschweig bekommen Studierende über die Vorlesung "Schall und Raum" nicht nur Einblicke in die Grundlagen der Raum- und Bauakustik bis hin zu aktueller Akustikforschung, sondern durch bauphysikalische Simulationsprogramme (CATT, BASTIAN) auch praktische Erfahrungen in bau- und raumakustischen Vorhersagen und Planungen.
Eine Möglichkeit, die Akustik in geplanten Räumen und Gebäuden zu optimieren, liegt in der Visualisierung von Schall per Computersimulation. Auch wenn es in der Wirklichkeit gar keine Schallstrahlen gibt - in der Simulation veranschaulichen konstruierte Schallstrahlen mit ihren jeweiligen Reflexionen von Wänden, Decken und Böden sehr präzise die geplante Raumakustik, auch unter Berücksichtigung von Geräuschen, die eventuell von außen in den Raum eindringen. "Da können 20.000 bis 100.000 Schallstrahlen im Computer verfolgt werden, wie sie durch den Raum geistern", sagt Hans Goydke, Honorarprofessor für Akustik und ehemals Leiter des Fachbereichs Kinematik der Physikalisch Technischen Bundesanstalt. Mit dem auf diese Art sichtbar gemachten Schall kann man experimentieren, um die gewünschte Raumakustik zu realisieren.
Eine andere Methode ist die "Auralisation", das Hineinhören in einen noch in Planung befindlichen Raum. Abgeleitet vom lateinischen Wort "auris" (das Ohr), bezeichnet sie die "Hörbarmachung" von akustischen Simulationen - die damit über Kopfhörer bereits im Entwurfsstadium zu realitätsnahen Hörerlebnissen werden. Solche virtuellen akustischen Testfahrten können beispielsweise veranschaulichen, welche Schalldämmung am besten gegen Innen- und Außengeräusche wirkt. Oder, wie Musik, die in einem echofreien Raum aufgenommen wurde, sich im geplanten Raum ausprägen würde.
Die jeweiligen Ergebnisse haben Einfluss auf die Materialwahl an Wänden, Decken und Fußböden. Denn während glatte, harte Flächen den Schall zurückwerfen wie ein Spiegel das Licht, werfen raue Strukturen den Schall diffus zurück, und offenporige Oberflächen absorbieren den Schall.
Übungsobjekt für die Studenten ist zum einen die neu erbaute und im Winter 2006 eröffnete Braunschweiger Synagoge, bei deren Planung Hans Goydke beratend zur Seite stand. "Der Saal ist dreieckig angelegt. Und so war man zunächst unsicher, ob diese ungewohnte Raumform den akustischen Anforderungen genügt", sagt Goydke. Schließlich muss in einer Synagoge ein hohes Maß an Sprachverständlichkeit gegeben sein, elektroakustische Maßnahmen wie Mikrophon und Lautsprecher waren ausgeschlossen. Als Ergebnis wurde beispielsweise hinter dem Redner ein Reflektor eingebaut, damit auch die Schallwellen, die nach hinten abgestrahlt werden, nun reflektiert zum Publikum gelangen.
Zum anderen sind die Architekturstudenten praktisch eingebunden in die aktuelle Planung des universitätseigenen "Studierenden-Service-Centers". Die geplanten nebeneinander liegenden Besprechungsräume, beispielsweise auch für psychologische Beratung genutzt, erfordern ein hohes Maß an Vertraulichkeit - "hallige" oder schallverstärkende Räume und schalldurchlässige Trennwände sind dafür untauglich. Beim Baubeginn im Herbst werden die akustischen bauphysikalischen Ergebnisse einfließen. (mba)
Kontaktinformationen
Name: | Prof. Dr.-Ing. Hans Godyke |
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Institution: | Technische Universität Braunschweig, Fachbereich Architektur, Institut für Gebäude- und Solartechnik |
Adresse: |
Mühlenpfordtstraße 23 38106 Braunschweig |
Telefon: | 0531/391-3555 |
WWW: | http://www.igs.bau.tu-bs.de |
E-Mail: |