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Und täglich grüßt die Wissenschaft
10.10.2007

Bitte in einem Zug lesen!

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Bis zu mehreren tausend Tonnen
kann so ein gesamter Zug schon mal wiegen. Damit niemand die Güterwagen auf eine Waage heben muss, haben die Messexperten der PTB schon mal den einen oder anderen Außeneinsatz zu bewältigen: Die Prüfung von sog. selbsttätigen Gleiswaagen ist eine der Aufgaben des Fachbereiches Masse.

Glosse

Franz Kafka ist und bleibt ein Mann voller Rätsel. Noch immer treibt der Prager Autor die Erforscher seines Werkes in den Wahnsinn. Nicht nur seine verwirrende Texte, die größtenteils nie für eine Veröffentlichung bestimmt waren, sondern auch seine nicht gerade leserfreundliche Handschrift lassen so manchen Forscher bis heute im Dunkeln tappen. Kaum schreibt Kafka also in sein Tagebuch, er habe seine berühmte Geschichte "Das Urteil" "in einem Zug" geschrieben, steht die Frage im Raum: Hat er die Geschichte nun in eins durchgeschrieben - oder tatsächlich in einer Eisenbahn die Schreibfeder geschwungen? Auch wenn Kafka vermutlich seinen Text lediglich ohne abzusetzen innerhalb einer Nacht vollendet hat, bekommt die Wendung "in einem Zug" heute eine völlig neue Bedeutung, wenn es um die Bestimmung des Gewichtes von Zügen geht. Mit so genannten automatischen Gleiswaagen ist es tatsächlich möglich, ganze Züge in einem Zug zu messen. Diese Waagen werden in ein Ladegleis fest eingebaut. Auf beiden Seiten befinden sich jeweils mehrere Sensoren, die nicht nur das Gewicht beim Durchfahren erfassen können, sondern auch an den Abständen der Achsen und Drehgestelle den Wagentyp ermitteln. Eine einmalige Überfahrt einer Gleiswaage mit maximal dreifacher Schrittgeschwindigkeit reicht für eine Gewichtsbestimmung völlig aus. Wie bei regulären Waagen auch, sind die Messexperten der Physikalischen-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig auch bei den Gleiswaagen für den korrekten Betrieb zuständig. Also heißt es schon mal: An die Bahnhöfe, Software überprüfen, Waagen mit Gewichten überprüfen, Eichwagen wiegen, verschiedene Wagonfolgen zwecks korrekter Erkennung über die Waage rollen lassen. Da die großen Güterwagen natürlich nicht völlig still halten, müssen zusätzlich wirkende Kräfte für eine möglichst genaue Messung ebenfalls berücksichtigt werden. Haben Sie Kafka eigentlich schon "in vollen Zügen" ausgekostet? Ich für meinen Teil nicht. Ich habe beim Lesen lieber meine Ruhe. (she)



Fakten

Über sieben Gleise musst du fahr'n.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig ist in vielen Fällen für die Kalibrierung, Eichung und Zulassung von den verschiedensten Messgeräten zuständig - vom Atemalkoholmessgerät über LED-Lampen bis zu Strahlenmessgeräten. Und ein weiteres Messgerät erfordert ab und an auch mal Außeneinsätze und macht die Wissenschaftler schon mal zu Modellbauern, die sich Züge zusammensetzen und mit großen Eisenbahnen über ständig gleiche Streckenabschnitte fahren: Die Prüfung von so genannten dynamischen Gleiswaagen. Nach der OIML-Empfehlung R106 führt die Arbeitsgruppe Dynamisches Wägen der Abteilung Masse Bauartprüfungen solcher Waagen durch. Früher wurden Wagons einzeln und im Stehen auf statischen Gleiswaagen gewogen; heute übernehmen die dynamischen Waagen diese Aufgabe. Man findet sie in einem Ladegleis integriert - dort erfassen sie bei der Überfahrt eines Zuges nicht nur das Gewicht, sondern stellen auch am Abstand der Achsen und Drehgestelle untereinander den Wagontyp fest. Zusätzlich wirkende Kräfte, die durch die Bewegung des schweren Körpers entstehen, werden gemessen und bei der Bewertung berücksichtigt. Per Computer werden die Einzelsignale der Sensoren (Wägezellen) ausgewertet und Abweichungen korrigiert. Da jedes Rad über mehrere Messstellen (mehrere Wägezellen sind in mehreren Schwellen hintereinander eingebaut) rollt, stellen die Waagen zusätzlich sogar Informationen zur Beschaffenheit der Räder bereit. So könnten die Waagen in Zukunft nicht nur wie bisher für einen kurzen Test der beförderten Ladung und für eine Überprüfung einer eventuellen Überschreitung der Achslast dienen, sondern auch beispielsweise dem Zugführer online vor Radabplattung warnen. Bevor es soweit ist, stellt die Prüfung und Zulassung der Gleiswaagen noch eine ganze Menge Aufgaben für die Wägeprofis der PTB bereit: Eichwagen auf korrektes Gewicht überprüfen, jeden einzelnen Wägezellentyp bei verschiedenen Temperaturen testen, Wagons in unterschiedlicher Reihenfolge über die Waagen steuern, um die Erkennung zu überprüfen etc. Wie Tiere halten auch Züge nie wirklich still, um ihr Gewicht exakt zu bestimmen. Die Gleiswaagen liefern mehr als ausreichende Gewichtswerte, und das bei einer einzigen Überfahrt in einem Zug. (she)



Kontaktinformationen

Name: Dipl.-Ing. Karsten Schulz
Institution: Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Arbeitsgruppe 1.13 (Dynamisches Wägen)
Adresse: Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Telefon: 0531/592-1144
Fax: 0531/592-1105
WWW: http://www.ptb.de/
E-Mail:
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