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Und täglich grüßt die Wissenschaft
19.10.2007

Und täglich grüßt . der duschende Nachbar

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31 Geräusche
stellen das (fast) ganz alltägliche Problem einer neuen Studie der PTB dar: Wie kann ich die unterschiedlichen Geräusche messbar machen, die Menschen in ihrer Wohnung, speziell im Badezimmer, produzieren?

Glosse

Als Archimedes damals in seiner Badewanne rumbrüllte, hat das doch auch niemanden ge-stört. Heutzutage landen solche Probleme schon mal vor dem Richterstuhl. Schon zwei Stun-den läuft die nervenaufreibende Verhandlung. Denn Frau Meier hört Herrn Schulz angeblich jeden Tag aufs Neue bei seiner morgendlichen Badezimmernutzung. Gut, dass es die DIN 4109 gibt. In dem dicken Schmöker ist nämlich haargenau geregelt, welche Anforderungen Bauteile erfüllen müssen, damit Alltagsgeräusche, die in benachbarte Wohnungen gelangen, noch vertretbar sind. Der verbitterte Schlagabtausch zwischen Frau Meier und Herrn Schulz droht zu eskalieren. Schließlich weiß der Richter keinen Rat mehr und holt die letzte Ent-scheidungsinstanz in den Gerichtssaal. Ein Mann mit Handtuch und Badekappe tritt herein. Totenstille. Der Richter stellt den Neuankömmling mit seinem smartem Alexander-Hold-Grinsen vor: "Das ist Mike, unser Berufsduscher. Während er, werter Herr Schulz, Ihr Bade-zimmer benutzt, werden wir in der Wohnung von Frau Meier mit ultragenauen Mikrofonen die Lautstärke seiner Verrichtungen messen, die Sie angeblich jeden Morgen aus dem Bett schmeißen!" Falls Sie immer gedacht haben, Physiker beschäftigen sich nur mit den abstraktesten Dingen, dann fragen Sie doch mal Diplomandin Ruth Armbruster - 31 alltägliche Geräusche vom Zu-klappen eines WC-Deckels bis zur Spülmaschine stellen ihr Forschungsgebiet dar. An den Messplätzen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig arbeitet sie daran, diese Geräusche künstlich reproduzierbar zu machen, um vor Gericht in Zukunft eine schnelle, unkomplizierte Einigung zu ermöglichen. Damit bleibt Berufsduscher Mike dann wohl doch nur ein Produkt der Phantasie übereifriger Praktikanten - oder doch nicht? Stellen Sie lieber Ihren Kaffee beiseite und schauen mal in ihrem Badezimmer nach. Die Fernsehsen-der sollen heutzutage ja die skurrilsten Sachen zeigen. (she)



Fakten

Vom Quietschen der Badewanne - und der Suche nach der passenden Simulation

Wie viele Geräusche fallen ihnen ein, die ein Nachbar produzieren könnte, um ihnen selbst durch die Wand hindurch gehörig auf die Nerven zu gehen? Ruth Armbruster kam bisher auf 31. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit arbeitet sie in den Labors für angewandte Akustik der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Dabei gilt es, ein Problem zu lösen, das Juristen bisher vor Probleme stellte: Wie messe ich Nutzergeräusche in einer Wohnung, wenn sich eine benachbarte Partei durch den Alltagslärm belästigt fühlt? Im Gegensatz zu so genanntem Luftschall, der durch die Luft übertragen wird, wie beispielsweise eine menschliche Stimme, breitet sich Körperschall in Festkörpern aus. Also schwingt die Badezimmerarmatur, wenn jemand seinen Zahnputzbecher abstellt. Oder sogar die Wände, wenn der Toilettendeckel aufschlägt. Eine Norm zur Regelung des Schallschutzes, die DIN 4109, soll eine Anforderung an die Bauteile stellen, die bei solchen Vorgängen den Lärm ü-bertragen. Doch bei Beschwerden war es bisher schwierig, die Quelle der Ruhestörung ange-messen nachzuahmen, da Geräusche mit unterschiedlicher Lautstärke und Frequenz vorkom-men, je nach Anwender und dessen Vorlieben. Also analysiert Ruth Armbruster insgesamt 31 solcher alltäglichen Geräusche, die Menschen auch im Vergleich mit der Norm als störend empfanden, von der Spülmaschine bis zum Quietschen beim Rutschen in der Badewanne.
Durch die Untersuchung des physikalischen Vorgangs möchte die Studentin in Zukunft er-möglichen, einen Ersatz zu finden, der diese Geräusche bei normaler Handhabung realistisch nachahmt, um die Streitereien vor Gericht in Zukunft zu vereinfachen. Anhand des simulierten Geräusches ließe sich schnell festmachen, ob der Lärm die Wände im gemäß DIN 4109 störenden Bereich durchdringt oder nicht. Ruth Armbruster ist von ihrem Projekt begeistert: "So macht angewandte Naturwissenschaft nicht nur viel Spaß, sondern hat auch noch einen positiven Nutzen für den Alltag." (she)



Kontaktinformationen

Institution: Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Arbeitsgruppe 1.71 (Bauakustik)
Adresse: Bundesallee 100
D-38116 Braunschweig
WWW: http://www.ptb.de/
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