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Und täglich grüßt die Wissenschaft
20.10.2007

Die Autorin verschwindet in einem Bild

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Robert Walsers
Spaziergänge durch Städte, Landschaften und Bilder bereicherten das Feuilleton der Zeitschriften seiner Zeit. Erich Unglaub erforscht an der Technischen Universität Braunschweig Leben und Werk des Ahnherrn der Schweizer Moderne.

Glosse

Was meinen Sie? Gehen wir ein paar Schritte? Ach, verstehe, Sie sind gerade froh, dass Sie sitzen. Na, dann kommen Sie vielleicht in Gedanken mit? Eine meditative Übung? Nein, nein, das hatte ich gar nicht im Sinn. Es ist auch nicht weit. Wir gehen rechterhand am Schloss vorbei, den neu entstandenen Alleeweg entlang. Bis zur Ampel. Hier die Straße überqueren und weiter geradeaus. Ach, jetzt wissen Sie schon? Genau: Auf der linken Seite erscheint ein Gebäude, zu dessen Eingang eine große Treppe hinaufführt. Das Museum ist geöffnet und wir treten ein. Wir kaufen eine Eintrittskarte, aber wir wollen nicht den ganzen Nachmittag bleiben. Oder doch? Und wieder Treppen. An den Absätzen werden wir von Büsten begrüßt. Sie nicken nicht, sondern gucken nur streng. Wir gehen zu den Gemälden. "Italienische Landschaft" von Philipp Hackert. Wir sehen es an und sehen hinein. Und dann verschwinden wir vorsichtig darin. Wir streichen noch den Schafen über das Fell und dann führt mein Weg weiter in die Tiefe der Landschaft. Winke ich Ihnen noch zu? Entscheiden Sie... Spaziergänge, das war die Spezialität Robert Walsers, der in Landschaften, Städten und Bildern umherwanderte. Der Schweizer Schriftsteller beschrieb nicht, sondern verknüpfte seine Schilderungen mit Reflexionen, mit wirklichen Begebenheiten, mit Geschichten. Etliches von seinem Werk wurde seinerzeit in Zeitschriften veröffentlicht. Das zeitgenössische Feuilleton liebte diesen Stil, erläutert uns Erich Unglaub, der am germanistischen Institut der Technischen Universität Braunschweig Walsers Werk erforscht. Getroffen habe ich diesen Stil nicht? Ja, das habe ich schon befürchtet. (ehl)



Fakten

Ahnherr der Schweizer Moderne: Robert Walser

Maler der eine, Schriftsteller der andere. Karl und Robert Walser. Der erste - seinerzeit berühmt - ist heute vergessen, bei dem anderen ist es umgekehrt. Zeitlebens mittellos schrieb Robert Walser für Feuilletons und Zeitschriften und wurde erst in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wiederentdeckt. Erich Unglaub, Germanist an der Technischen Universität in Braunschweig, vergleicht die Biographien zweier ungleicher Brüder. "Von den Bildern Karl Walsers spricht heute niemand mehr", erläutert Unglaub, "doch der jüngere Robert wird zunehmends lebendiger und veröffentlichte vor kurzem wieder - so schien es -, denn so rege wurde sein Werk aufgelegt". Das Werk dieses 1956 verstorbenen "Ahnherrn der Schweizer Moderne" gibt noch heute Rätsel auf: Zum Beispiel seine Mikrogramme, die er in winzigster, fast unlesbarer Schrift festhielt und zwar auf allem, was sich beschriften ließ: Honorarquittungen, Streifband- und Drucksachenumschläge, Druckfahnenrückseiten und Belegexemplare, unbedruckte Ränder von Zeitungen und Zeitschriften, Vorder- und Rückseiten von Korrespondenzstücken aller Art, Visitenkarten, Theaterprogramme, Blätter von Abreißkalendern, Absagebriefe der Redaktionen wurden gleich für neue Texte umfunktioniert, schließlich sogar Einwickelpapier für Bücher und die eigene Steuererklärung. "Im Bleistiftgebiet" betitelte Walser dieses Konvolut, das lange als pathologisch verdächtig galt und erst vor cirka zwanzig Jahren nach und nach entziffert worden ist. Und folgt man Unglaub, war Walser ein begnadeter Feuilletonist: "Seine spontane Anverwandlung, die Einbeziehung in den poetischen Prozess hat meist weder eine Rezension, einen Essay noch eine gewichtige Abhandlung zum Ziel, sondern ein oft kurzes, mäanderndes, ironisch funkelndes und stilistisch changierendes Prosastück." Franz Kafka und Walter Benjamin liessen sich davon inspirieren. (ehl)



Kontaktinformationen

Name: Prof. Dr. Erich Unglaub
Institution: TU Braunschweig, Institut für Germanistik, Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Adresse: Bienroder Weg 80
D-38106 Braunschweig
Telefon: 0531/391-8666
Fax: 0531/391-8668
WWW: http://www.tu-braunschweig.de/
E-Mail:
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