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Und täglich grüßt die Wissenschaft
31.10.2007

"Snow" von gestern

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Kultur der technisch-wissenschaftlichen Welt -
der inzwischen ein Jahr alte Master-Studiengang der TU Braunschweig möchte die berüchtigte Lücke zwischen den "zwei Kulturen" der Natur- und Geisteswissen-schaften nicht nur thematisieren, sondern wenn möglich auch überbrücken.

Glosse

Geisteswissenschaftler sind ja alle nur nörgelige Maschinenstürmer. Behauptete zumindest der britische Wissenschaftler und Schriftsteller C.P. Snow in seiner berühmten Rede zu den "zwei Kulturen" von 1959. Nun sitze ich hier als Vertreter dieser berüchtigten Fraktion bei einem Praktikum in der Physikalisch-Technischen Bundesan-stalt (PTB) in Braunschweig - mit einer Hosentasche voll glitzernder Schrauben. Ein paar davon stammen aus dem nagelneuen Teilchenbeschleuniger, der erst kürzlich in Betrieb genommen wurde. Die etwas größeren werden in den nächsten Tagen für Aufsehen sorgen, wenn die berühmte Atomuhr ihren Geist aufgeben wird. Ganz zu schweigen von der Kneifzange in meiner Schublade, mit der ich das komplette Reinraumzentrum von der Stromverbindung kappen werde!
Unter Geisteswissenschaftlern ist es nach wie vor schick, keine Ahnung von Naturwissenschaften zu haben, stellte Bestseller-Autor und Weltvermesser Daniel Kehlmann neulich in einem Interview fest. Dass das nicht so sein muss, beweist der interdisziplinäre Master-Studiengang "Kultur der technisch-wissenschaftlichen Welt"
der TU Braunschweig. Hier ziehen nicht nur die Disziplinen Germanistik, Anglistik, Philosophie und Geschichte an einem Strang, sondern öffnen sich auch technischen und naturwissenschaftlichen Themen. Denn Geisteswissenschaft ohne die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaft ist damals wie heute nicht denkbar - umgekehrt funktioniert es aber auch nicht. Auch wenn das Vermächtnis des 1980 verstorbenen Snow noch immer Schatten auf ein solches Projekt wirft, bleibt die Frage, ob er mit seinen Thesen zusätzliche Berührungsängste der "zwei Kulturen" nicht erst heraufbeschworen hat und ein gegenseitiger Austausch heute nicht mehr denn je erforderlich ist. Aber wenn Sie mich jetzt entschuldigen - die Post wartet draußen mit dem riesigen Störsender, den ich im Internet bestellt habe. (she)



Fakten

Die TU als Brückenbauer

Seit 1959 sind die "zwei Kulturen" in aller Munde - der englische Wissenschaftler und Schriftsteller Charles Percy Snow (1905-1980) stellte in seiner berühmt gewordenen Rede fest, dass Naturwissenschaftler und Geisteswissenschaftler nicht vernünftig miteinander kommunizieren können und die reaktionären Literaten nichts anders als störend auf den Fortschritt der Technik einwirken. Denn während der Geisteswissenschaftler stolz darauf ist, mathematische Lehrsätze nicht zu kennen, gilt der Naturwissenschaftler als ungebildet, wenn er nicht den kompletten Shakespeare gelesen hat. Das von Snow pointiert formulierte Modell spukt nach wie vor in vielen Köpfen herum. Grund genug für die Geisteswissenschaftler der TU Braunschweig, der Schwarz-Weiß-Malerei in neu geschaffenen "Grauzonen" den Kampf anzusagen: In dem neuen Master-Studiengang "Kultur der technisch-wissenschaftlichen Welt", der dieser Tage in die zweite Runde geht, arbeiten die Disziplinen Germanistik, Anglistik, Geschichte und Philosophie gemeinsam daran, ihre eigenen Fächer für technische und naturwissenschaftliche Einflüsse zu öffnen. Produktive Zusammenarbeit statt gegenseitigem Unverständnis - unter diesem Motto will man eine stärkere Verknüpfung der beiden Kulturen fördern und sozusagen interkulturelle Arbeit leisten. Ein fruchtbarer Dialog soll das Ziel sein, welcher die Snow'schen Berührungsängste zu beseitigen hilft und die gegenseitige Notwendigkeit beider Wissenschaftskulturen betont. Deshalb ist der interdisziplinäre Master auch sowohl für Geisteswissenschaftler mit einem ersten Abschluss als auch für Vertreter der naturwissenschaftlich-technischen Welt geöffnet. Unterschiedlichen Profilbildungen und Praktika im Grenzbereich der Kulturen runden den Ausflug in unbekannte Gefilde ab - ganz im Sinne des Amerikaners John Brockman, der über Snow hinaus eine "dritte Kultur" mit Bildung in den Natur- UND den Geisteswissenschaften vor Augen hatte. Weitere Informationen zum Studiengang gibt es unter: http://www.historisches-seminar-braunschweig.de/. (she)



Kontaktinformationen

Name: Prof. Dr. Herbert Mehrtens
Institution: Technische Universität Braunschweig, Historisches Seminar
Adresse: Schleinitzstr. 13
38106 Braunschweig
Telefon: 0531/391-3080
Fax: 0531/391-8162
WWW: http://www.tu-braunschweig.de
E-Mail:
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