Vortrag: Wie keine andere Schauspielerin verkörperte Asta Nielsen den Aufbruch in das 20. Jahrhundert. Bis zum Beginn der Tonfilmära reichte ihr Ruhm und man ging nicht in einen bestimmten Film oder ein bestimmtes Kino, sondern in einen »Nielsen-Film«.
Doch was ist das, ein »Nielsen-Film«? Der Vortrag möchte dies anhand von Filmbeispielen herausarbeiten und der gestalterischen Kraft Asta Nielsens nachspüren. Den Vortrag hält Heike Klippel, Professorin für Filmwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.

Film: Engelein
Regie: Urban Gad, D 1913/14, 85 Min.
Darsteller: Asta Nielsen, Max Landa

Die damals 32jährige Asta Nielsen verkörpert in dieser Stummfilmkomödie mit
allen Registern ihrer mimischen Kunst eine 17jährige, die eine 12jährige spielt. Der reiche Amerikaner Peter Schneider kehrt nach dem Tod seiner Frau nach Europa zurück, wo seine Nichte Jesta lebt, die er zur Erbin auserkoren hat. Seiner Annahme nach ist sie zwölf Jahre alt. Tatsächlich kam Jesta fünf
Jahre früher unehelich zur Welt. Um das sittliche Empfinden des Onkels und natürlich auch das Erbe nicht zu gefährden, versteckt Jesta ihre fortgeschrittene Reife. Das fällt ihr zusehends schwerer, als sie romantische Gefühle für den Onkel entwickelt.

Am Klavier begleitet von Eunice Martins, Berlin

Vortrag: Als die Bilder laufen lernten, geriet auch die Welt um sie herum in Bewegung. Prof. Dr. em. Klaus Kreimeier zeigt, wie die Geschichte des frühen Kinos mit der Kulturgeschichte seiner Zeit verbunden ist. Er rückt die frühe Kinokultur in Europa und den USA in den Kontext der Umbrüche zwischen
Belle Epoque und industrialisiertem Krieg.
Es sind die Jahre, in denen sich die »Weltsprache « des bewegten Bildes heraus kristallisiert.

Film: Der Andere, Regie: Max Mack,
D 1912/13
Darsteller: Albert Bassermann, Emerich Hannus, Léon Resemann.

Der Rechtsanwalt Dr. Hallers verwahrt sich gegen mildernde Umstände für Straftäter mit Persönlichkeitsstörungen. Doch nach einem Sturz leidet er selbst unter einer Bewusstseinsveränderung und verwandelt sich in den »Anderen«. Sein Alter Ego durchstreift die Berliner Halbwelt und verübt mit dem Ganoven Dickert zusammen einen Einbruch, ausgerechnet in seine eigene Wohnung. Als die Polizei eingreift, kommt Hallers zu sich.
Geschockt erkennt er seine Tat und die Spaltung seines Geistes.